FRAGMENTE AUS ARCHIVDOKUMENTEN UND INTERVIEWS, DIE IN DER PERFORMATIVEN INSTALLATION BENUTZT WERDEN (EINE AUSWAHL)
1. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds I 256686 Bd. 1 /Liviu Ciulei
Seite 121, Agent „Preda“, Datum: 9. April 1963: „Angesichts der Form, in der Liviu Ciulei diese Theaterstücke inszenieren wollte, und zwar mit Brechts Musik, die einiges aus der damaligen Zeit aufdeckt, verlangte Ciulei, dass sie in den westlichen Jazz (Twist, Rock usw.) übertragen wird, wodurch die im Stück verfolgten Ideen verzerrt wurden. Er war mit der Besetzung des Theaters nicht zufrieden, sondern forderte die Direktion auf, Maria Tănase, Margareta Pîslaru, Bebe Prisada und das Electrecord-Orchester (das in einem Auto auf der Bühne erscheinen sollte) zu verpflichten, um in der „Dreigroschenoper“ zu spielen und dafür fabelhafte Honorare zu erhalten. […] Nach dieser Analyse nahm Lazăr Vrabie die oben genannten Stücke aus der Probe heraus, was Ciulei dazu veranlasste, sich mit Vrabie zu streiten und sich an das Komitee für Kultur und Kunst zu wenden, um die Wiederaufnahme der Stücke ins Repertoire zu fordern.”
2.CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds I 256686 Bd. 1 / Liviu Ciulei
Seite 156, Agent „N. Ionescu“, 372/14 Januar 1963: Seine jüngste Reise nach Berlin hat ihn zu einem begeisterten Bewunderer des Berliner Ensembles (Brechts Theater) gemacht, von dem er immer als einem der wertvollsten künstlerischen Kollektive der Welt spricht, das er als ein Modell der militanten kommunistischen Kunst betrachtet.
Seite 214, Quelle „Sinaia“, 371/22. 11. 1960: Der technische Direktor N. Crisu vom selbenen Theater sagte mir zum gleichen Thema: “[…] Und in Passacaglia hat Liviu Ciulei in den Teilen, in denen die Deutschen auftreten, das Stück nicht richtig verarbeitet. Er stellt einen Deutschen dar, der zu freundlich, zu sanft, zu gut ist. Und es ist selbstverständlich, dass das so nicht funktioniert.”
3. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261295, Bd. 1 / Marion-Felicitas HAASE (Deckname „HELLEN“), Stellvertretende Leiterin des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1986 – 1989
Seite 1: In Anbetracht der Tatsache, dass die oben Genannte die Stelle der stellvertretenden Direktorin des Kulturinstitutes der BRD in Bukarest übernommen hat, die zuvor von der Zielperson „SUCIU“ besetzt wurde, und der Tatsache, dass das GOETHE-Institut in München und seine Zweigstellen in verschiedenen Ländern vom westdeutschen Nachrichtendienst für geheimdienstliche oder andere feindliche Aktionen genutzt werden,
Schlagen wir vor: Die Erstellung einer Informationsakte über die westdeutsche Bürgerin HAASE MARION MARION FELICITAS.
4. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261295, Bd. 1 / Marion-Felicitas HAASE (Deckname „HELLEN“), Stellvertretende Leiterin des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1986 – 1989
Seite 23 / Vermerk vom 10.12.1986, Quelle: „Popescu Traian“: Die Quelle teilt folgendes über Frau Marion Haase mit. ”Ich habe am 2.12.2986 und am 26.11.1986 Kurse in der Gruppe der oben Genannten besucht. Im Rahmen dieser Kurse brachte sie uns die neuesten Zeitungen der BRD (FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, FRANKFURTER RUNDSCHAU, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG) mit, die sie als unabhängige Zeitungen bezeichnete und von denen sie meinte, dass sie nicht die Interessen einer politischen Partei vertreten und die verfassungsrechtlichen Bestimmungen respektieren. Sie fügte hinzu, dass es auch Publikationen politischer Parteien gebe, allerdings mit einer geringen Auflage. Bei der Vorstellung der BILD ZEITUNG erklärte sie, dass die Zeitung die DDR in Anführungszeichen setze, was bedeute, dass die DDR nicht als Staat anerkannt sei. Unter den anderen Artikeln bemerkten wir den Fall von drei DDR-Bürgern aus Rostock (Sportler), die sich legal in der BRD aufhielten. Vor der Pause fragte sie uns, ob wir ein paar Minuten Pause machen oder einfach mit dem Unterricht weitermachen wollten, und fügte ironisch hinzu: ‘Hier will ich für echte Demokratie sorgen’.”
Seite 32 / ZUSAMMENFASSENDER VERMERK vom 24. 02. 1987: „[…] Im Rahmen einiger Vorträge machte sie tendenziöse Äußerungen gegen das Regime in unserem Land, weil sie der Meinung war, dass es keine echte Demokratie gewährleisten würde. Sie bemühte sich auch, den Kursteilnehmern die Demokratie des politischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland zu veranschaulichen (das Vorhandensein eines Mehrparteiensystems, die Unabhängigkeit der Zeitungen, usw.). Der Kreis der Beziehungen unter den rumänischen Bürgern erweitert sich ständig […]“.
5. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261295, Bd. 1 / Marion-Felicitas HAASE (Deckname „HELLEN“), Stellvertretende Leiterin des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1986 – 1989
Seite 37 und Rückseite / Vermerk vom 13. 03. 1987, Quelle: „Hans Roth“: „[…] Flüsternd, erzählte sie (Anm. d. Red.: Marion Haase) mir, dass sie die Stimmung in Bukarest nicht mehr ertragen könne. Die Abrissarbeiten und die Warteschlangen deprimieren sie, außerdem habe sie das Gefühl, ständig beobachtet und überwacht zu werden. Ich versuchte, sie zu beruhigen, indem ich ihr sagte, dass niemand, der sich anständig verhält, beobachtet wird und dass das alles nur Einbildung sei; sie entgegnete, dass sie sich wegen nichts schuldig fühle, dennoch werde sie das ständige Gefühl nicht los, Schritt für Schritt beobachtet zu werden. […] Ich traf Frau HAASE bei dieser Gelegenheit. Sie macht einen ruhigen, besonnenen, klaren Eindruck. Sie sagte, dass sie häufig in die BRD reist, weil ihr Mann dort lebt. Über das Problem der Auswanderung der Siebenbürger Sachsen sagte sie: ‘Es bricht mir das Herz, wenn ich höre, dass die alten Leute abwandern, fast alle sind enttäuscht, weil sie alle mit zu vielen Illusionen weggehen. Natürlich geht es ihnen materiell ganz gut, aber sie können sich nicht anpassen und bleiben allein, quasi ein Fremdkörper in der deutschen Gesellschaft. Für junge Leute ist es einfacher, sie können sich umschulen, sie können sich leichter anpassen, aber das Problem der Arbeitslosigkeit bleibt (hier flüsterte mir MAZCMAREK zu, dass HAASE „linke“ Ansichten hat)‘. HAASE fuhr fort, dass sie, obwohl sie erst seit kurzem im Lande sei, Rumänien als ein wunderbares Land empfinde, und aus dem, was sie über die Geschichte des Landes gelesen habe, gehe hervor, dass vor allem die Sachsen sich immer gut mit den Rumänen verstanden hätten. Natürlich steckt das Land in einer Krise, das Leben ist hart, es gibt viele Schwierigkeiten, aber die gehen vorbei und es ist schade, seine Heimat zu verlassen, in der man seit Hunderten von Jahren gelebt hat.“
6. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261295, Bd. 1 / Marion-Felicitas HAASE (Deckname „HELLEN“), Stellvertretende Leiterin des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1986 – 1989
Seite 44 und Rückseite / Vermerk vom 16.04.1987, Quelle: „Hans Roth“: „Zusammen mit M. HAASE kam eine Freundin von ihr. Sie ist Psychologiestudentin im zweiten Jahr an der Universität Wuppertal – BRD und ist für eine Woche zu Besuch bei M. HAASE. Die Studentin, die mit Vornamen INGRID heißt, ist zum ersten Mal in unserem Land. Es wurde über ihre ersten Eindrücke gesprochen. Sie gestand, dass sie schockiert und völlig verwirrt sei. Vor allem darüber, dass man in der BRD faktisch nichts über Rumänien weiß, die Leute sind völlig desinteressiert und viele verwechseln Bukarest mit Budapest oder Rumänien mit Bulgarien. Nachrichten über Rumänien erscheinen nur selten in der Presse und im Fernsehen, meist sind sie sensationell (die Auswanderung wichtiger Persönlichkeiten, Abrisse, Kälte, Warteschlangen usw.) Durch die direkte Konfrontation mit unseren Realitäten muss sie ihre Meinungen revidieren, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Zunächst einmal war sie tief beeindruckt von den zwischenmenschlichen Beziehungen, die ganz anders sind als in der BRD; die Menschen sind offener, herzlicher, gastfreundlicher, trotz der materiellen Schwierigkeiten, die sie haben. Beeindruckt hat sie auch das hohe kulturelle Niveau der Menschen, die viel besser über das kulturelle und politische Leben im Westen informiert sind als der Durchschnittsbürger in der BRD. Während fast jeder, mit dem sie sprach, mit westlicher Literatur, Musik, Malerei vertraut war, gab sie zu, nichts über rumänische Kunst gelesen zu haben, kein einziges Buch eines rumänischen Schriftstellers, abgesehen von denen, die im Westen leben und bekannt sind: Eugen Ionesco, Mircea Eliade, Brîncuși usw. Von Zeit zu Zeit taucht ein neuer Name auf, meist ein neuer Emigrant, um den ein gewisser Wirbel gemacht wird, aber in den meisten Fällen verschwindet das Interesse an ihm sehr schnell. In diesem Zusammenhang sprach sie über die Gruppe der Schriftsteller in Temeswar (rum. Timișoara). Gerade mit Herta Müller waren die Medien sehr beschäftigt: Sie hatte ein langes Interview im Fernsehen, sie erhielt einen wichtigen Literaturpreis, der mit 10.000 Mark dotiert war. Auch Wilhelm Totok und Richard Wagner wurden mit Preisen ausgezeichnet. Was die negativen Eindrücke betrifft: Sie war schockiert über das Aussehen von Bukarest. Bevor sie nach Rumänien kam, hatte sie ein Album über Bukarest durchgeblättert, aber als sie die Abrissgebiete sah, war sie fassungslos. Nicht, dass dort viel gebaut wird – Wohnblocks, Straßen, U-Bahn usw. -, sondern die Tatsache, dass alte Viertel und Gebäude, die einen hohen künstlerischen Wert haben, abgerissen worden sind. […]“
7. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261295, Bd. 1 / Marion-Felicitas HAASE (Deckname „HELLEN“), Stellvertretende Leiterin des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1986 – 1989
Seite 143 und Rückseite / Vermerk vom 17.05.1988, Quelle: „LENA“: “Am Montag, den 16. Mai zwischen 10-12 Uhr brachen Diebe in die Wohnung von MARION HAASE in der Emil-Racota-Straße 16-18 ein, indem sie die Eingangstür mit einem Brecheisen aufbrachen. […] Als ich die durchwühlten Sachen wieder in Ordnung brachte, sah ich in ihrem Schlafzimmer auf einer Korbtruhe, die sie als Nachttisch benutzt, ein Buch von etwas größerem Format, das in Packpapier eingebunden war. Es sah aus wie ein gewöhnliches Grammatikbuch oder ein Lehrbuch zum Erlernen der rumänischen Sprache, das sie normalerweise neben ihrem Bett aufbewahrt, zusammen mit ihren Notizbüchern und Vokabeln, nach denen sie Rumänisch mit einer Lehrerin lernt, die regelmäßig zu ihr nach Hause kommt. Nachdem ich das Buch aus der Verpackung nahm, stellte ich fest, dass es den Titel ‚The red horizons‘ (dt. ‘Die roten Horizonte’) trug, sowie den Untertitel ‘The extraordinary memories of a communist spy’ (dt. ‚Die außergewöhnlichen Erinnerungen eines Kommunisten‘). Der Verfasser ist Pacepa. Das Buch ist auf Englisch. Es gab ein Lesezeichen ziemlich am Anfang, nach 20-23 Seiten.
Am Dienstag, den 17. Mai war ich bei H. Hauser bis nach dem Mittagessen. […] Nach dem Mittagessen, nach 16 Uhr, ging ich zu Marions Wohnung. Das Buch war von der Stelle verschwunden. Ich stellte fest, dass sie gestern, nachdem wir gegangen waren, nach 21 Uhr, noch einen Besucher hatte. Ich vermute, dass es sich um Frau Ernst oder Herrn Hauser handelte, und dass sie einen Brief an das Zentralamt oder die Versicherungsgesellschaft geschrieben hatten, in dem sie den Diebstahl ankündigten.”
8. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261295, Bd. 1 / Marion-Felicitas HAASE (Deckname „HELLEN“), Stellvertretende Leiterin des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1986 – 1989
Seite 299 und Rückseite + Seite 300 / Bericht mit Vorschlägen zur Schließung der Informationsakte „HELLEN“ vom 18. 11. 1989: Seit den ersten Tagen ihrer Tätigkeit an ihrem Arbeitsplatz hatte HELLEN den Verdacht geäußert, dass sie von den Sicherheitsorganen verfolgt werde. Ob im Büro oder zu Hause, sie sprach immer nur flüsternd über wichtige Dinge, aus Angst vor Mikrofonen. Bei ihren Treffen mit rumänischen Gesprächspartnern war sie vorsichtig und versuchte, ihre Position und ihre Arbeit unter dem Vorwand, dass sie ‚eine bescheidene Rolle als Deutschlehrerin‘ habe, herunterzuspielen und uns in einigen Fällen mit sogenannten ‚guten Absichten gegenüber Rumänien‘ falsch zu informieren. Sie versuchten jedoch, durch provokative Fragen die Quellen der Sicherheitsorgane, insbesondere am Arbeitsplatz, zu ermitteln […] Die aus der Überwachung der Kontakte gewonnenen Daten ergaben, dass HELLEN gleichzeitig mit der Ausnutzung der Informationen von diesen Personen eine ideologische Indoktrination durchführte und tendenziöse Äußerungen gegen unser Land machte, indem sie ihren Gedanken, in die BRD auszuwandern, beeinflusste oder unterstützte.
Nachdem die Stelle des westdeutschen Dozenten an der Universität Bukarest, der die beiden Dozenten aus Iași und Cluj koordinierte, gestrichen wurde, übernahm HELLEN diese Tätigkeit. Sie kontaktierte sie vor Ort unter dem Vorwand, methodische Konferenzen an den deutschsprachigen Fakultäten der Universitäten Cluj (dt. Klausenburg) und Iași abzuhalten, zu denen sie, sicherheitshalber, auch Timișoara (dt. Temeswar) heranzog. […] Durch die Einführung von Sicherheitsmaßnahmen in ihrer Wohnung wurde mit Sicherheit festgestellt, dass sie informative Anliegen hatte […]. In diesem Sinne interessierte sie sich für Daten wirtschaftlicher und sozialer Art über die Bevölkerung deutscher Nationalität, ihre Rechte und Freiheiten gegenüber der Bevölkerung rumänischer Herkunft, Versorgungsprobleme, Auswanderung usw.
9. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261897, Bd. 1 / Heuline Bohrer-Christiane (Deckname „HELLA“), Leiterin der Bibliothek des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1980 – 1982
Seite 1 / Bericht vom 29. 02. 1980: Die oben Genannte arbeitete zuvor an der Bibliothek der BRD in Paris – Außenstelle des Goethe-Instituts in München. Im Rahmen ihrer Tätigkeit kann HEULINE CRISTIANE Kontakte zu Personen aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen knüpfen, die diese Einrichtung besuchen werden.
In Anbetracht der Informationen, dass das Goethe-Institut in München vom Bundesnachrichtendienst (S.F.I.) als Deckmantel benutzt wird, und der Möglichkeiten der computergestützten Verwertung, über die die oben Genannte aufgrund ihrer Stelle verfügt, um die Aktivitäten von HEULINE CHRISTIANE in der Sozialistischen Republik Rumänien (SRR) zu kontrollieren,
schlage ich vor: die Erstellung einer Informationsakte über HEULINE CHRISTIANE zu genehmigen.
10. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261897, Bd. 1 / Heuline Bohrer-Christiane (Deckname „HELLA“), Leiterin der Bibliothek des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1980 – 1982
Seite 5 / Ergänzung zum Maßnahmenplan: […] (2) Nach einer umfassenden Untersuchung im Hinblick auf die Durchführung einer geheimen Durchsuchung im Untersuchungsobjekt „Bianca“ und nach einer umfassenden Überprüfung des Informanten „MARIN“ (Unterstützung bei der Beschaffung von Abdrücken und der geheimen Durchsuchung) wird eine geheime Durchsuchung am Arbeitsplatz von HELLA durchgeführt, um in den Besitz der Bibliothekskarten der Besucher, einiger Akten und Notizbücher zu gelangen, die sie in einer Geldkassette und in seinem Büro aufbewahrt. […]
11. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 1 und Rückseite / Bericht vom 09.X.1985: […] In einem Gespräch mit einem befreundeten Journalisten, das mit speziellen Mitteln überwacht wurde, bestätigte Hauser Hubert, dass er eigentlich in Czernowitz geboren wurde, von wo aus er 1933 mit seiner Familie zunächst nach Wien und dann nach Berlin auswanderte. Da seine Eltern jüdischer Nationalität waren, emigrierten sie 1935 erneut in ein lateinamerikanisches Land und kehrten nach dem Ende des Krieges nach Deutschland zurück. […] Schon kurz nach seinem Amtsantritt zeigte Hauser Hubert Interesse daran, Kontakte zu rumänischen Bürgern zu knüpfen, insbesondere in den Bereichen Kunst und Kultur. […] Er sprach bereits Rumänisch als er in Rumänien ankam, eine Sprache, die er weiter lernte, um mehr Kontakte mit rumänischen Bürgern knüpfen zu können, wie er selbst einem Landsmann sagte.
In Anbetracht dieser Beschäftigungen, sowie der Tatsache, dass das GOETHE-Institut in München und seine Zweigstellen in verschiedenen Ländern vom westdeutschen Geheimdienst benutzt werden, um Informationen zu sammeln oder andere feindliche Aktionen durchzuführen,
schlage ich vor: Hauser Hubert mittels einer Informationsakte zu beobachten, um Kenntnisse über die Aktivitäten, das Verhalten, die Interessen und die Verbindungen zu den rumänischen Bürgern zu erlangen, um Handlungen zu verhindern, die den Interessen der SRR (Sozialistischen Republik Rumänien) schaden könnten, und um ihn in positiver Weise zu beeinflussen. […]
12. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 56, Vermerk vom 13.XI.1985, Quelle: „Bujor“: „[…] Hauser freute sich, mich wiederzusehen, und nach einem Austausch von Höflichkeiten fragte ich, wie die „Kulturtage“ ausgegangen seien und wie der abschließende, allgemeine Eindruck sei. Er antwortete, dass im Großen und Ganzen alles gut gelaufen sei, verglichen mit den anderen Veranstaltungen. Die Arbeit bei ACIN sei außerordentlich gut gelaufen, beim Schriftstellerverband weniger gut. Hier, so Hauser, sei es nicht so gut gelaufen, wie er es sich gewünscht hätte, denn obwohl das Programm eingehalten wurde, hatten er und die Mitglieder der Delegation den Eindruck, dass die Diskussionen nicht frei waren und dass jemand den Dialog mit den rumänischen Schriftstellern lenkte und bremste. Er hatte den Eindruck, dass, wenn die westdeutschen Schriftsteller einen freien Dialog führen wollten, die Diskussion sofort in eine andere Richtung gelenkt wurde, was zu einem Zustand der Unzufriedenheit auf westdeutscher Seite führte. […]“
13. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 61 / Vermerk vom 27.01.1986, Quelle: „Kamil“ „Mit dem Inkrafttreten des neuen Dekrets über rumänische Staatsbürger, die mit Ausländern in Kontakt treten, und der Verpflichtung, eine Sondergenehmigung bei den höchsten Behörden zu beantragen, um eine Konferenz abzuhalten oder an einer kulturellen Veranstaltung teilzunehmen, die vom Kulturinstitut der BRD organisiert wird, zeigte sich der Direktor dieses Instituts, Hauser, der sonst die Nachrichten in den rumänischen Zeitungen höhnisch verfolgt, sehr besorgt über die zukünftige Tätigkeit. Zahlreiche Aktionen werden in Frage gestellt, angefangen bei den von IOSIF SAVA eingeführten Musikabenden (er hatte die Genehmigung des Kulturrates nicht rechtzeitig erhalten und konnte daher die geplante Konferenz nicht abhalten) bis hin zu den Lesern, Studenten oder einfachen Zuschauern. Im gesamten Institut herrschen Unruhe und Spannung.
14. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 68 / Vermerk vom 17.02.1986, Quelle: „Cristina“ „Die deutschen Mitarbeiter des Kulturinstituts (insbesondere HAUSER und SERWO) sind sehr verwundert und beunruhigt und äußern sich negativ zu einigen Gerüchten, wonach die Besucher des Instituts nach angeblich individuell geführten Gesprächen an ihrem Arbeitsplatz angewiesen werden, das Kulturinstitut nicht mehr zu besuchen.
In einem Gespräch, das wir zu diesem Thema führten, habe ich ihnen gesagt, dass es sich dabei um bloße Gerüchte handeln könnte, woraufhin sie bedeutend gelacht und gesagt haben: ‘Sie mögen wohl wissen, dass sogar ein entsprechendes Dekret erlassen wurde‘.”
15. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 73, Vermerk vom 26.02.1986, Quelle: „Luca“: Am Abend des 21.02.1986 kamen Frau und Herr HAUSER auf Einladung der Quelle gegen 20.00 Uhr zum gemeinsamen Abendessen. Bei dieser Gelegenheit enthüllte Herr HAUSER eine Tatsache, die er nicht zu deuten wusste, nämlich: Anlässlich der gegenwärtigen Berliner Filmbiennale war ein Delegierter der Biennale, Herr SCHLEGEL (wenn ich mich richtig an seinen Namen erinnere), zur Vorschau einiger rumänischer Filme nach Bukarest gereist; er wählte u.a. den rumänischen Film „Pas de deux“ aus, einen Film, der seiner Meinung nach für einen Preis in Frage gekommen wäre; zur Überraschung der Organisatoren gab die rumänische Botschaft etwa zwei Tage vor der Vorführung des Films bekannt, dass er zurückgezogen wurde. Da dies die Organisatoren in große Schwierigkeiten brachte, setzten sie sich mit der BRD-Botschaft in Bukarest in Verbindung, die keinen Kulturattaché hatte (Kissling von der Presse übernahm die Vertretung). Die Botschaft wandte sich an HAUSER, um die Situation zu klären. HAUSER setzte sich mit Frau CONSTANTINESCU vom Kulturrat in Verbindung (mit der Hauser gut zusammenarbeitet). Frau Constantinescu meinte, es handele sich um einen “verfrühten Aprilscherz”. Auf die Frage, was sie davon halte, sagte die Quelle, sie könne sich nicht erklären, was passiert sei, aber in deutschen Zeitungen seien auch fast täglich widersprüchliche Aussagen zu finden.
16. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 78, Vermerk vom 4.04.1986, Quelle: „Irina“: „Auf Ersuchen des Auswärtigen Amtes in Bonn hat das Goethe-Institut in München Herrn HAUSER um eine Stellungnahme zu der Idee gebeten, zwei weitere Goethe-Institute in Rumänien, in Timisoara (dt. Temeswar) und Sibiu (dt. Hermannstadt), zu gründen. Dieser Vorschlag zielt auf die kulturelle Förderung der Rumäniendeutschen ab. Der Direktor des Goethe-Instituts, Herr von BISMARCK, ist in dieser Frage anderer Meinung als das Auswärtige Amt: Die Institute sollen die deutsche Kultur unter den Völkern der Welt fördern und nicht für Deutschstämmige in verschiedenen Ländern, darunter auch Rumänien, eingerichtet werden.
Herr HAUSER drückt seine Meinung wie folgt aus: 1945 gab es 800.000 Deutschstämmige in Rumänien, heute sind es nur noch 250.000. Nach dem bilateralen Abkommen wandern jedes Jahr 15.000 aus; die Gründe für die Migration sind: Kommt ein Familienmitglied nach Deutschland, holt es den Rest seiner Familie nach und führt so die Familie wieder zusammen. Ein weiterer Grund sind die sehr schwierigen materiellen Lebensbedingungen. Das liegt nicht an ihrer deutschen Herkunft, denn Deutschstämmige werden genauso gut/schlecht behandelt wie Rumänen, allerdings ist die Versorgung im Lande extrem schlecht.
Die Idee, zwei weitere Institute einzurichten, hält Herr HAUSER für nicht realisierbar, da „die Rumänen jede Maßnahme zur Unterstützung von Rumäniendeutschen mit Mißtrauen und Widerwillen betrachten”. Dieser Vorschlag von deutscher Seite könnte die ohnehin schon schwierige Arbeit des Instituts in Bukarest erschweren. Die einzige Lösung, die er für dieses Problem sieht, ist die mögliche Einrichtung von zwei Zweigstellen des Instituts in Bukarest, in denen jedoch keine Deutschkurse abgehalten würden, sondern nur eine Bibliothek untergebracht wäre. Die Absicht, Kurse zu organisieren, könnte als Herausforderung verstanden werden, als Vorbereitung für diejenigen, die auswandern werden und die die deutsche Sprache nicht gut genug beherrschen. Der Vorschlag zur Einrichtung der beiden Institute wird dem rumänischen Außenminister unterbreitet, der Mitte April die BRD besuchen wird.“
17. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 98 / Informationsvermerk vom 03.06.1986, Quelle: „Ivașcu“: Im Zusammenhang mit Gesprächen mit Herrn HUBERTUS HANSER (HAUSER) über die Werbung für die kulturellen Aktivitäten des Kulturinstitutes der BRD (in anderen Ländern GOETHE INSTITUT genannt) beklagte er sich darüber, dass sie nicht einmal auf dem kleinen Plakat am Eingang das vervielfältigte Programm aushängen dürfen; einmal wurden sie von dem Wächter der italienischen Botschaft, der auf der anderen Straßenseite Dienst hat, aufgefordert, das Plakat vom Brett zu nehmen, woraufhin sie sich nicht mehr getraut haben, nicht einmal dieses Programm auf das Plakat auszuhängen. Dieses Programm ist nicht einmal auf der Anschlagtafel an der Eingangstür der Botschaft in der Rabat-Straße angebracht, und darüber hinaus nicht einmal in der Eingangshalle der Botschaft. Dies führt natürlich zu einer bescheidenen Beteiligung der Bukarester Öffentlichkeit; Herr HANSER und Herr ZIRBO (SERWO) sagten, dass das Institut mit erheblichem Kostenaufwand für die Verbreitung der deutschen Kultur unter den Rumänen unterhalten wird, nicht für die Deutschen in Rumänien. Die Quelle wies darauf hin, dass die Botschaft bei den zuständigen Behörden vorstellig werden sollte, um die Situation zu verbessern. […] Zu diesem Thema führte die Quelle auch Gespräche mit dem Botschafter, der Herrn MERTENS zu sich rief, um sich nach der Richtigkeit dieser Situation und den möglichen Maßnahmen zu erkundigen. Herr MERTENS bestätigte dem Botschafter diese Einschränkung der Werbung, die von den Möglichkeiten des SCHILLER-Hauses, das von der DDR unterhalten wird, abweicht. Daraufhin wies der Botschafter Herrn MERTENS an, Schritte zur Verbesserung der Situation zu unternehmen. Der Botschafter wies auf das Fehlen von Werbeplakaten und Anzeigen im Botschaftsgebäude und an der Anschlagtafel der Botschaft hin.
18. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 102, Vermerk vom 28.06.1989, Quelle: „Pamela“: „Nachdem ich Herrn HAUSER getroffen hatte, unterhielt ich mich kurz mit ihm über die jüngste harsche Kritik von FRANZ JOSEF STRAUSS an den GOETHE-Instituten, der ihnen vorwarf, ‘zu viele selbstkritische Aspekte’ und ‘zu viele Aspekte des linken Denkens und der linken Kunst’ in ihre Programme aufzunehmen. Ich kannte das Thema aus dem deutschen Rundfunk und habe daher Herrn Hauser seine Meinung sagen lassen. Seine Meinung widersprach den Ansichten von STRAUSS, der, so Hauser, ‘nichts anderes will, als auf den Genscher einzuschlagen’. Auf jeden Fall, so Hauser, haben die GOETHE-Institute ‘den Auftrag’, demokratische Ausrichtungen zu vertreten und zu unterstützen.”
19. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 106 / Vermerk vom 21.09.1986, Quelle: „Irina“: „Im Zusammenhang mit den Zeitschriften STEIN, SPIEGEL und ZEIT bestellte Herr KISSLING Herrn Hauser in die Botschaft und teilte ihm mit, dass die genannten Zeitschriften nur noch in der Bibliothek vorhanden seien, nicht mehr verteilt und nicht mehr nach Hause ausgeliehen würden. Diese Maßnahme wird aus wirtschaftlichen Gründen ergriffen. Die Bibliothek wird nur wenige Exemplare erhalten. Die Art und Weise, wie Herr Hauser uns dies mitteilte, erweckte den Eindruck, dass die Gründe dafür andere sein könnten. Ich hatte den Eindruck, dass er dies andeuten wollte.“
20. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 109 / Vermerk vom 6.X.1986, Quelle: „Pamela“: „Am 3. Oktober dieses Jahres war ich mit Herrn Hauser und Frau Winzer bei Adrian Dumitrache, Grafiker, in seinem Atelier in der Straße Elie Radu 1, um über die Veranstaltung einer Ausstellung im Kulturinstitut der BRD mit Werken zu Themen einer Reise des genannten Künstlers und seiner Frau, ebenfalls Grafikerin, Georgeta Boruz, in die BRD zu sprechen. […] Nach der Besichtigung der Werke, die sehr gut ankamen und zum Teil schön gerahmt waren, sagte Herr Hauser im Atelier von Dumitrache in gereiztem Tonfall: ‘Es nützt nichts, dass mir die Werke gefallen und ich sie ausstellen will, wenn dieser neue Beamte nein sagt’, ‘hier in Rumänien heißt es immer nein, das geht nicht, das darf man nicht’. ‘Schade um so viele schöne Sachen!’ Indes nickte Frau Winzer zustimmend, schwieg aber […] Als die beiden gingen, blieb ich noch in der Werkstatt. Herr Hauser sagte, wir müssten jetzt erst einmal sehen, ‘wie dieser neue Beamte reagiere, was er wolle und wie er denke’.”
21. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 145 / Bericht über den Inhalt der Gespräche, die der westdeutsche Konsul Gaerte Wolfgang am 26. Februar 1987 im Restaurant Capșa mit den Beamten des Kulturinstitutes der BRD, Hauser Hubert, Direktor, und Winzer Inge, Sekretärin, geführt hat, an der auch die Frau von Hauser H. teilnahm: […] Das Gespräch findet hauptsächlich zwischen der Frau von Hauser und dem Konsul Gaerte statt. Erstere weist darauf hin, dass sich in diesem Jahr eine große Zahl von Personen für Deutschkurse angemeldet hat. Alle haben die Genehmigung der zuständigen Behörden, aber die Adressen, die sie unter ‘Wohnsitz’ angegeben haben, können nicht überprüft werden. Frau Hauser führt weiter aus, dass alle Rumänen, die mit Genehmigung an den Kursen teilnehmen, verpflichtet sind, darüber Auskunft zu geben, was sie im Kulturinstitut gesehen und gehört haben. Die Anwesenden waren mit diesen Anforderungen voll einverstanden. […]
22. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 150 und Rückseite / Vermerk vom 9. März 1987, Quelle: „Karin“: „Am Freitag, den 6.3.1987, begleitete ich Herrn Hauser ins Ministerium für Erziehung und Schulwesen, wo wir von Herrn Paul Ceausu, Herrn Direktor Machedon und Herrn Direktor Apostol empfangen wurden. Herr Hauser eröffnete das Gespräch (das Thema war das Kolloquium „Beziehungen des Römischen Reiches zu anderen Völkern – in den Jh. I-IV n. Chr.”) und bezog sich dabei auf ein Zitat des Staatspräsidenten auf der letzten Tagung, das er in der Zeitung ‚Neuer Weg‘ unterstrichen hatte. Diesem Zitat zufolge passe das oben erwähnte Kolloquium perfekt in die aktuelle politische Linie. Nach diesen Ausführungen ergriff Herr Apostol das Wort und bat um einige Bemerkungen zu den ersten beiden Briefen:
1) In Übereinstimmung mit dem Zweck dieses Kolloquiums ist eine der Aussagen der deutschen Professoren zu ungenau formuliert, und zwei weitere passen nicht zum Zweck. Er bittet daher Herrn Hauser, die Professoren zu bitten, ihre Beiträge umzuformulieren, so dass sie dem Thema gerecht werden. Herr Hauser stimmte zu.
2) Er willigt auch ein, einen weiteren Professor aus München einzuladen, diesmal einen Archäologen, im Gegensatz zu den anderen, die überwiegend Philologen waren.
3) Bezüglich des Termins für das Kolloquium einigten sich beide Seiten auf September des laufenden Jahres.
4) Herr Hauser bestand auf der Einladung zweier Personen (mit Zustimmung des Ministeriums): Prof. Iancu FISCHER und Herr GH. Ceaușescu, vom Institut ‘G. Călinescu’. Die Antwort der rumänischen Seite lautete, dass der Antrag geprüft werden wird.
5) Herr Apostol bat Herrn Hauser, sich bezüglich dieses Kolloquiums direkt an das Ministerium zu wenden und keine Vermittler einzuschalten.
6) Nach Beendigung des Gesprächs teilte mir Herr Hauser mit, er sei schließlich zufrieden, wenn auch nicht ganz. Das Kolloquium werde allerdings stattfinden. Aber das Übergewicht der Archäologie gegenüber der Philologie sei nicht das, was er sich vorgestellt habe, „aber das sei auch so in Ordnung“.
Schlussbemerkung: ‚Haben Sie gesehen, wie gut es ist, mit den Wänden zu reden? Gestern habe ich zweimal laut im Institut gesprochen, und am Abend zuvor habe ich zu Hause mit der Wand gesprochen. Und schließlich fand die Unterredung statt’.”
23. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 174 / Vermerk 07.05.1987, Quelle: „Karin“: „Herr Hauser bat mich in sein Büro, um mir die neuesten Nachrichten mitzuteilen: Das rumänische Außenministerium hat Herrn MERTENS einbestellt, um ihm folgendes mitzuteilen: das Kulturinstitut darf keine Einladungen mehr an Privatpersonen verschicken, außer über die Ministerien. Daraufhin sagte Herr Hauser, dass das Kulturinstitut nur noch gelegentlich Besucher empfangen und keine Konferenzen mehr veranstalten werde usw.
Frau HAASE teilte mir außerdem mit, dass die rumänische Seite bei den Kulturverhandlungen den Beschluss traf, dem Kulturinstitut – über Herrn MERTENS – zu untersagen, im Namen des GOETHE-Instituts Stipendien zum Erlernen der deutschen Sprache zu vergeben.”
24. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 218 / Vermerk (mit Bezug auf den Pianisten Ohloff) vom 22.09.1987, Quelle: „Julieta“: „[…] Er würde sehr gerne die G. Enescu-Philharmonie, das Konservatorium, im Hinblick auf eine mögliche Zusammenarbeit besuchen. Bei dieser Gelegenheit möchte er diesen Institutionen einige seltene Partituren und Schallplatten schenken. Die Antwort von Herrn Hauser war heftig, er sagte ihm, dass es in Rumänien am schwierigsten sei, direkte Kontakte mit rumänischen Bürgern zu haben, da eine Reihe von Formalitäten notwendig seien. Sonst könnten die Leute Schwierigkeiten bekommen.”
25. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 251 / Vermerk 28.12.1987, Quelle: „Hans Roth“:
Frau Roswitha Sperber (eine Mezzosopranistin aus der BRD, die in den Tagen davor im Athenaeum und in der Rundfunkhalle zwei rumänische Stücke von Miriam Marbe und Mihai Moldovan aufführte). „[…] Roswitha Sperber war letztes Jahr ebenfalls in Bukarest, wo sie ein Stück von Miriam Marbe uraufführte […] Frau Sperber bevorzugt zeitgenössische Musik, insbesondere Werke von Frauen. Sie hat in Heidelberg ein jährliches Festival organisiert, das vor allem Komponistinnen von gestern und heute gewidmet ist. Das Festival ist mit einem Kompositionswettbewerb verbunden, bei dem dieses Jahr Miriam Marbe mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde. Roswitha Sperber sagt, dass Rumänien derzeit das Land mit den begabtesten Komponistinnen ist, die aber im Westen nicht bekannt sind, weil es an Tonträgern, Partituren und Werbematerial fehlt. Aus diesem Grund versucht sie, solches Material zu beschaffen und möchte in Heidelberg ein ‚Archiv für zeitgenössische rumänische Musik‘ zu eröffnen. Zu diesem Zweck hatte sie ein Treffen beim Kulturrat, wo sie empfangen wurde und Versprechungen gemacht wurden.
In der BRD arbeitet sie bei der Veranstaltung des Festivals mit einer Komponistin aus Bukarest, Violeta Dinescu, zusammen, die ein Stipendium in der BRD hat (oder hatte). Ich kenne die Situation von V. Dinescu nicht, aber ich weiß, dass sie seit einigen Jahren in der BRD ist und ihre Werke einen großen Erfolg haben. Ihre Oper ‚Durst und Hunger‘, die auf einem Theaterstück von Eugen Ionescu basiert, wurde kürzlich in der Oper Bonn aufgeführt. Sie hat auch ein Ballett und zwei Opern komponiert, sowie viele symphonische Werke, die alle mit großem Erfolg aufgeführt und von der Kritik gelobt wurden.”
26. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 261 / Vermerk: […] Bei einem Abendessen in seinem Haus in Bukarest Ende Dezember 1987 äußerte er seine „Verwunderung“ darüber, dass es Warteschlangen bei den Lebensmittelgeschäften gibt, da die jüngsten Dokumente der Kommunistischen Partei Rumäniens angeblich eine erhebliche Aufstockung des Konsumfonds für die Bevölkerung vorsahen. In demselben Zusammenhang betonte Hubert Hauser, dass die Zahl der Miliz- und anderer Sicherheitskräfte auf den Hauptstraßen der Hauptstadt zugenommen habe. […] Die von Hubert Hauser geäußerten Ansichten stimmen mit der Verunglimpfung der Realitäten in unserem Land durch die westlichen Medien überein.
27. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 264 und Rückseite / Vermerk vom 14.02.1988, Quelle: „Hans Roth“: „[…] Hubert Hauser fragte Simona Zarioiu nach ihrer beruflichen Tätigkeit im Verlag ‘Meridiane’. Als er erfuhr, dass sie in der deutschen Abteilung arbeitete und dass der Verlag wegen der in ausländischer Währung zu zahlenden Urheberrechte viele Schwierigkeiten hatte, kunstwissenschaftliche oder kunsthistorische Werke aus dem Deutschen ins Rumänische zu übersetzen, bot Hauser an, dem Verlag zu helfen, die Erlaubnis zu erhalten, Werke, die für rumänische Leser von Interesse sind, kostenlos zu übersetzen oder die Urheberrechte von einer der Organisationen zur Verbreitung der deutschen Kultur, wie INTER NATIONES, dem Goethe-Institut usw., bezahlen zu lassen.
Ein weiteres Thema war die Umweltsituation in Rumänien. Hauser sagt, dass er bei seinen Reisen durch das Land viele Probleme festgestellt hat, die für die Flora und Fauna des Landes gefährlich werden könnten. Vor allem der Mangel an Filtern in verschiedenen Chemiewerken sei zu einem ernsten Problem geworden. Die BRD soll ihre technische Hilfe angeboten haben, aber Rumänien leugnet, dass es Umweltprobleme gibt: Hauser behauptet, dass dieses Thema nicht objektiv diskutiert werden kann, solange der Vertreter Rumäniens auf einem internationalen Ökologiekongress meint, dass die Kommunistische Rumänische Partei (PCR) die einzig wahre grüne Partei der Welt sei.”
28. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 265 und Rückseite / Vermerk vom 15. 02. 1988, Quelle: „Bogdan“: Die offizielle Eröffnung des zweiten Instituts in einem sozialistischen Land wird am 10. April dieses Jahres in Budapest stattfinden. Es werden Gespräche über die Eröffnung solcher Institute auch in Polen und der UdSSR geführt. […] Auch die Beziehungen zwischen den Staaten sind nicht die besten: Das hat auch der Besuch von Bundesaußenminister Genscher gezeigt. Es wird gemunkelt, dass es wahrscheinlich weitere Gespräche über die Ausreise der Sachsen und Schwaben aus Rumänien geben wird und dass die rumänische Seite sicherlich eine höhere Summe als die jetzige pro Person verlangen wird (nämlich von 8 Tausend bis 10 oder 12 Tausend Mark pro Person). Es wird auch vermutet, dass die deutsche Seite wahrscheinlich nachgeben wird und dann werden sich die Beziehungen wieder verbessern.
29. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seile 285 und Rückseite / Vermerk vom 12.05.1988, Quelle: „Hans Roth“ / Kontext: Das Konzert der BRD-Mezzosopranistin Roswitha Sperber fand am 11. Mai 1988 im Kulturinstitut der BRD statt. Sie wurde am Klavier von Dan Grigore begleitet: „Wie schon bei ihrer letzten Tournee in Rumänien betonte sie, daß unser Land die begabtesten und zahlreichsten Komponistinnen hat, allen voran MYRIAM MARBE, und dass sie sich deshalb bei uns wohl fühle. Sie erzählte von dem von ihr organisierten Festival in Heidelberg, an dem mehrere rumänische Komponisten teilnehmen und derer Werke aufgeführt werden sollen: Myriam Marbe, Violeta Dinescu, Anatol Vieru und Aurel Stroe. In den letzten beiden Jahren konnte Myriam Marbe nicht zu diesem Festival reisen, was in der deutschen Presse kommentiert wurde. Sie hofft, dass sie dieses Jahr dabei sein wird, denn sie gilt als die wichtigste Komponistin Europas und wird mit Spannung erwartet. Sie sprach auch über die bei ELECTRECORD in Arbeit befindliche Schallplatte ‚Komponisten und Komponistinnen aus Rumänien‘ mit Roswitha Sperber und rumänischen Instrumentalisten, sowie über die Notwendigkeit, die Musik von Frauen zu fördern. Hubert Hauser sagte in diesem Zusammenhang, er sei Zeuge einer peinlichen Szene gewesen. Roswitha Sperber hatte im Institut geprobt, als Myriam Marbe auftauchte, sich aber weigerte, das Institut zu betreten, obwohl ein von ihr komponiertes Werk auf der Schallplatte zu hören ist. Hauser lud sie ein, Roswitha Sperber kam dazu, aber Myriam Marbe sagte, sie habe keine Erlaubnis der Musikhochschule, das Institut zu betreten, also fand die Unterhaltung im Innenhof des Instituts statt.“
30. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 293 / Notiz vom 06.06.1988, Sure: „Lena“: „In der Bibliothek von Herrn Hauser habe ich das Buch ‘Der Mensch ist ein großer Fasan auf dieser Welt’ von Herta Müller gesehen. Ich nehme an, dass es sich um das Exemplar handelt, das ich vor einem Jahr in der Bibliothek sah und das unter den Freunden von GABRIELLE im Umlauf war. Aber dieses Buch ist nie in der Bibliothek im üblichen Kreislauf inventarisiert worden.”
31. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 312 / Notiz vom 11.08.1988, Quelle: „Hans Roth“: „[…] (Hauser) sagt, er bereue seinen Abschied nicht, denn seine Arbeit hier befriedige ihn nicht. Er sei mit großen Plänen, schönen Ideen gekommen, aber seine Arbeit sei immer mühsamer geworden und stoße auf administrative und bürokratische Schwierigkeiten bei den Behörden: ‘Im Grunde’, so Hauser, ‘sitzen wir herum und tun nichts. Es lohnt sich nicht. Wir erwarten Leser, die nicht kommen, abgesehen von einigen Kindern und Rentnern. Und genau die Leute, für die das Institut gegründet wurde – aktive Menschen, die von Fachbüchern, Konferenzen, Konzerten usw. profitieren könnten – kommen aus Angst nicht. […]
Während der Diskussionen, als wir das Thema der Auswanderung und Siebenbürgens ansprachen, sagte Hauser, dass die BRD versucht, die Zahl der Ausreisewilligen auf 30.000 pro Jahr zu erhöhen. Rumänien würde zustimmen, aber sie verlange höhere Beträge für jeden Auswanderer und die Erleichterung von EWG-Wirtschaftsverträgen, was schwierig sei, weil Rumänien exportieren, aber nicht importieren wolle. Und die exportierten Waren seien zwar extrem billig, aber auf dem westlichen Markt nicht wettbewerbsfähig. […]
Heutzutage wird die BRD von den Ungarn angegriffen, weil sie der rumänischen Regierung hohe Summen für jeden Auswanderer zahlen. Dies wäre ein Handel mit Menschen und eine ernstzunehmende materielle Unterstützung (mit harter Währung), die nur die finanzielle Situation stärkt. Es sei also Geld, das zum Abriss von Dörfern verwendet würde.”
32. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 321 und Rückseite / Informationsvermerk vom 21.09.1988, Quelle: „Lena“: „[…] Ein anderes Mal erzählte er mir, dass […] das einzig Wirksame die Deutschkurse und die Bibliothek seien, aber auch die seien nicht für jeden zugänglich, weil der Arbeitgeber es vielen Mitarbeitern verbiete, das Kulturinstitut zu besuchen oder sie sich einfach nicht trauten, ins Kulturinstitut zu gehen, weil sich unter den Lernenden und Lesenden der Bibliothek Securitate-Mitarbeiter eingeschlichen hätten. Er selbst war als Verantwortlicher für die Kulturprogramme schon immer über alle möglichen Verbote gestolpert und wurde vom Kulturrat blockiert.
Zum Thema deutsche Minderheit sagte er, dass nur sehr wenige Sachsen und Schwaben in der Provinz von der Existenz des Kulturinstituts profitieren. Obwohl Bücher in andere Regionen geschickt werden, zögern viele Menschen, Bücher per Post zu erhalten, aus Angst vor Denunziationen.
Er hat versucht, eine Zweigstelle der Bibliothek in Sibiu zu eröffnen oder die sächsischen Dörfer mit einem Büchermobil zu besuchen, aber die erforderlichen Genehmigungen wurden nicht erteilt.“
33. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261900 / Hauser Hubert (Deckname „HAN”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1985-1989
Seite 344 und Rückseite, Vermerk: […] Im gleichen Zusammenhang äußerte Hubert Hauser auch seine Unzufriedenheit mit der „mangelnden Werbung für das Institut bzw. für einige der von ihm organisierten Veranstaltungen“. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass aus diesem Grund in der Zentrale in München überlegt wird, solche Aktivitäten in Zukunft nicht mehr zu bezuschussen, wenn die rumänische Öffentlichkeit nicht darüber unterrichtet wird, dass sie „mit dem Beitrag des Kulturinstituts der BRD“ organisiert wurden. Er sagte, die rumänischen Behörden hätten eine andere Politik als z.B. gegenüber dem italienischen Institut in Bukarest, dem es erlaubt sei, Plakate zu drucken, die auf seinen Beitrag zur Organisation von Ausstellungen, Konzerten usw. hinweisen […].
34. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261896, Bd. 1 / Martin Uwe (Deckname „UDREA”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1979-1982
Seite 6 und Rückseite, Informationsvermerk: Am 21.06.1979 wurde gegen den westdeutschen Staatsbürger MARTIN UWE, Leiter des Kulturinstituts der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet: Der Grund zur Eröffnung der Informationsakte war die Tatsache, dass das GOETHE-Institut, zu dem das Kulturinstitut gehört, bekanntermaßen vom Bundesnachrichtendienst (SFI) zur Informationsbeschaffung durch seine Beamten benutzt wird. […] Was die Tätigkeit des Kulturinstituts der BRD in Bukarest betrifft, so hält sich Direktor Martin strikt an die Gesetze unseres Landes, an die getroffenen Vereinbarungen und an die genehmigten Arbeitsbedingungen. Er erlaubt weder die Vorführung von Filmen noch die Verbreitung von Publikationen oder andere Aktivitäten, die den politischen, sozialen oder moralischen Grundsätzen der Sozialistischen Republik Rumänien zuwiderlaufen. In dieser Hinsicht bittet er für jede Aktivität, die im Kulturinstitut stattfindet, um die Genehmigung der zuständigen rumänischen Behörden. […]
35. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261896, Bd. 1 / Martin Uwe (Deckname „UDREA”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1979-1982
Seite 7: Kürzlich wurde mit Genehmigung der D.S.S.(Securitate)-Leitung eine geheime Durchsuchung im Kulturinstitut der BRD durchgeführt, einschließlich des Tresors, zu dem nur der Direktor MARTIN UWE Zugang hat. Es wurden keine Hinweise darauf gefunden, dass es dem Genannten um Informationen ging, aber es wurde festgestellt, dass er bestrebt war, so viele offizielle Kontakte wie möglich mit „spezielleren“ Personen zu knüpfen (etwas, womit er derzeit nicht zufrieden ist), wobei die Aktivitäten der Institution so effektiv wie möglich sein sollten, um das angestrebte Ziel zu erreichen: die Verbreitung der deutschen Kultur, die Einflussnahme auf pro-deutsche rumänische Bürger, die an diesen Aktivitäten teilnehmen, die Erhöhung der Besucherzahlen im Kulturinstitut. Er interveniert und unterstützt die Leiter westdeutscher Institutionen bei der Vergabe von Stipendien an rumänische Bürger, die er für “unproblematische” Kandidaten hält. Was den letztgenannten Aspekt betrifft, so geht aus den erhaltenen Informationen hervor, dass die Zielperson über ihre offiziellen Kontakte auch eine Untersuchung über mögliche Stipendiaten in der BRD sowie über ehemalige Stipendiaten durchführt.
36. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261896, Bd. 1 / Martin Uwe (Deckname „UDREA”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1979-1982
Seite 28 (Rückseite) und Seite 29 / Informationsvermerk vom 18. 12. 1979, Quelle: „Bărbulescu“: „[…] Uwe Martin sagte, dass das Kulturinstitut in Bukarest erst im Herbst eine intensivere Tätigkeit aufnehmen wird, vorerst werden Möglichkeiten geprüft und Angebote ausgesiebt, um das Niveau hoch zu halten. Ihre Bibliothek wurde mit der der Botschaft ergänzt (2500 Bände), aber sie warten darauf, dass die Zentrale die Bibliothek auf bis zu 10.000 Bände ergänzt. […]
Im gleichen Zusammenhang las die Quelle einen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über den Besuch von Präsident CARSTENS in einem Lager für Einwanderer aus Rumänien, Polen und der UdSSR. Die Anwesenden beklagten sich darüber, dass sie von der einheimischen Bevölkerung nicht als Deutsche angesehen würden, obwohl sie in ihrer Heimat ihre deutsche Sprache und Sitten bewahrt hätten. […]
Die Quelle erwähnt, dass in der Bibliothek des Kulturinstituts alle Publikationen der BRD für jedermann einsehbar ausliegen und dass das Kulturinstitut von vielen Rumänen, darunter viele junge Leute, besucht wird, die nicht in der Lage sind, den Inhalt mancher parteiischer Artikel zu erkennen, vor allem wenn sie in rechtsgerichteten Zeitungen erscheinen, wie die oben zitierte, für die auch der renommierte VIKTOR MEIER schreibt.”
37. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261896, Bd. 1 / Martin Uwe (Deckname „UDREA”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1979-1982
Seite 34 / Vermerk vom 19.01.1980, Quelle: „Aida“: Zu den Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer an den in drei Wochen beginnenden Deutschkursen sagte die Informantin, dass es keine Kriterien gebe und dass die ersten 60 Angemeldeten teilnehmen würden, während den anderen gesagt werde, dass es keine freien Plätze mehr gebe. Martin Uwe würde keine Einmischung von irgendeiner Institution oder Persönlichkeit für eine weitere Einschreibung akzeptieren. […]
Diejenigen, die Bücher, Zeitschriften und die Teilnahme an Deutschkursen beantragen, sind in der Regel Rentner und Kinder.
38. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261896, Bd. 1 / Martin Uwe (Deckname „UDREA”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1979-1982
Seite 67 / Bericht vom 21.02.1981, Quelle: „Bogdan“: „Der Leiter des Kulturinstitutes der BRD, Martin Uwe, wird am Montag, den 23. Februar, nach Temeswar fliegen. […] Es wird Martins erste Reise nach Temeswar sein, seit er sein Amt in unserem Land angetreten hat. Erklärtes Ziel des Besuchs ist es, die Proben für das Theaterstück des westdeutschen Regisseurs SEILTGEN ERNST, der sich seit etwa 10 Tagen in Temeswar aufhält, im örtlichen deutschen Theater zu besuchen. Präsident CARSTENS wird sich das Stück bei seinem Besuch in Temeswar ansehen. Martin wird auch Gespräche mit dem Temeswarer Lektor KREFELD führen.“
39. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261896, Bd. 1 / Martin Uwe (Deckname „UDREA”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1979-1982
Seite 82 / Vermerk vom 19. 06. 1981, Quelle: „Pamela“ „(Martin) greift die Frage des Celan-Kolloquiums wieder auf und sagt, dass Herr Ileasa ihm keine Antwort gibt, weder ja noch nein, und dass es ihm scheint, dass er aufgeben muss. Er versteht nicht, warum ihm nicht von Anfang an nein gesagt wurde. Er vermutet, dass ‘es ungünstig sei, alte Leute heranzuziehen, um Erinnerungen zu erzählen’.”
Seite 83 und 84 / Bericht vom 8. Juli 1981, Quelle: „Bogdan“: Am oben genannten Datum bat die Quelle um ein Treffen, bei dem sie uns den Brief von Direktor Martin Uwe an die Genossin Suzana Gâdea, Vorsitzende des Rates für sozialistische Kultur und Bildung, überreichte.
In diesem Brief bittet der Direktor des Kulturinstitutes der BRD in Bukarest um Unterstützung für die Organisation eines Kolloquiums über den Dichter PAUL CELAN im Kulturinstitut und weist auf die Schwierigkeiten und Ablehnungen hin, auf die er bei den Schritten, die er seit fast einem Jahr in dieser Richtung unternimmt, gestoßen ist. Das Kolloquium wird – sofern es genehmigt wird – am 1. und 2. Oktober dieses Jahres stattfinden und von rumänischen und westdeutschen Schriftstellern, Verwandten und engen Bekannten des Dichters besucht werden.
Was die Organisation des Kolloquiums betrifft, so berichtet die Quelle, dass Dr. Martin Uwe nicht so sehr über die Schwierigkeiten, auf die er stößt, und sogar über die Verweigerung der Genehmigung für die Organisation des Kolloquiums empört ist, sondern vor allem über die Tatsache, dass man versucht, ihn aus dem Projekt zu entfernen und das Kolloquium ausschließlich vom Schriftstellerverband und dem Museum für rumänische Literatur organisieren zu lassen, obwohl es Martins Idee war.
Der Brief ist eine letzte Hoffnung auf eine positive Umsetzung der Absicht des Kulturinstituts, dieses Kolloquium zu veranstalten.
40. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261896, Bd. 1 / Martin Uwe (Deckname „UDREA”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1979-1982
Seiten 89, 90 und 91 / Vermerk vom 11. 07. 1981, Quelle: „Bogdan“: Die Arbeit mit dem Bildungsministerium ist äußerst mühsam, da die für die Außenbeziehungen zuständigen Personen für die Vorschläge und Absichten des BRD-Instituts wenig offen sind – Beispiel: die Vergabe von Stipendien ohne Namensnennung (12-14 Personen), auf die selbst das Ministerium keine Antwort gegeben hat. Auch das Gespräch mit dem Rektor Mircea Dragan vom IATC, in dem das Institut zwei Stipendien anbot, damit die Rumänen schicken können, wen sie wollen, blieb ohne Reaktion. […]
Bei allem Bemühen, Möglichkeiten für den Ausbau der Beziehungen auf dieser Linie zu schaffen, wurde Dr. Martin von deutscher Seite vorgeworfen, dass diese nicht genutzten Stipendien an ein anderes Land vergeben werden könnten. […]
Von diesem Präzedenzfall ausgehend, erleichterte Dr. Martin die Beschaffung von Stipendien auf privater Basis, bei der sich die betreffende Person selbst um den Touristenpass kümmern musste. Bsp. […] ausgereist und zurückgekehrt sind: Popescu vom Kleinen Theater und Hadjiculea, Regisseur im Kleinen Theater. In diesem Sinne hat er etwas in dieser Richtung getan […]
Er wird selbstverständlich sagen, dass die rumänischen Behörden denjenigen, die ihren Horizont erweitern wollen, das Leben schwer machen. Dabei geht es ihm in keiner Weise um deutschstämmige Bürger. Die Quelle verweist darauf, dass Dr. Martin sowohl bei den Deutschkursen als auch bei den Stipendien, die er vergibt, darauf hinweist, dass das Institut in Bukarest nicht in erster Linie für Bürger deutscher Nationalität gedacht ist, sondern einen Rahmen bietet, in dem Rumänen unabhängig von ihren Deutschkenntnissen die Möglichkeit haben, mit deutscher Literatur – Musik – Kunst in Berührung zu kommen, wobei er argumentiert, dass seit Langem zwischen den beiden Kulturen Beziehungen bestehen.
41. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261896, Bd. 1 / Martin Uwe (Deckname „UDREA”), Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1979-1982
Seite 92 und 93: Bezüglich des Celan-Kolloquiums verweist die Quelle auf den Verlauf der Veranstaltung und erklärt, dass nach dem Brief von Dr. Martin an den Vorsitzenden des Rates für Kultur und sozialistische Erziehung (C.C.E.S.) das Problem in dem Sinne gelöst wurde, dass er zum Direktor für Außenbeziehungen, Herrn Ileasa, gerufen wurde, der zwar nicht auf seinen Brief Bezug nahm, ihm aber mitteilte, dass dieses lange „ausgebrütete“ Kolloquium in Zusammenarbeit mit dem Schriftstellerverband abgehalten werden könne. […]
N.O. Ein neueres Problem, das den Unmut des Kulturinstituts der BRD und seines Leiters erregt hat, ist, dass das Bildungsministerium die vom BRD-Kulturinstitut angebotenen Stipendien zahlenmäßig nicht angenommen hat. Da das Bildungsministerium (das nicht einmal auf das Angebot reagiert hat) diesem Problem nicht die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hat, öffnen wir selbst den Weg zu privaten Stipendienvereinbarungen, ein Weg, der weniger unter unserer Kontrolle steht.
42. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261899, Bd. 1 / Olczyk Martina (Deckname „OTILIA”), Leiterin der Bibliothek des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1982 – 1986
Seite 1 und 2: OLCZYK Martina kam im Oktober 1982 in unser Land, als Leiterin der Bibliothek im Kulturinstitut der BRD in Bukarest. Sie kam als Nachfolgerin der westdeutschen Heuline Christiane. […] Im Rahmen ihrer Tätigkeit hat Frau Olczyk Martina die Möglichkeit, Kontakt zu Personen aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen aufzunehmen, die das Institut besuchen werden.
In Anbetracht der Information, dass das Goethe-Institut in München vom Bundesnachrichtendienst als Tarnung genutzt wird, und da die oben genannte Person aufgrund ihrer Position die Möglichkeit hat, die ihr zur Verfügung stehenden Informationen nachrichtendienstlich zu nutzen, schlagen wir vor, die Arbeit von Olczyk Martina Olczyk in unserem Land zu überwachen.
Demnach schlagen wir vor: dass die Eröffnung einer Informationsakte auf den Namen OLCZYK Martina genehmigt wird.
43. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261899, Bd. 1 / Olczyk Martina (Deckname „OTILIA”), Leiterin der Bibliothek des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1982 – 1986
Seite 34 / Vermerk vom 11.04.1983, Quelle: „Pamela“:„[…] Ich erfuhr von ihr (Anm. d. Red.: Olczyk Martina), dass sie den Film ‚‘Hungerjahre‚‘, der auch in der Kinemathek und in der Bibliothek anlässlich des Besuchs eines Filmregisseurs gezeigt wurde, bei sich zu Hause vorgeführt hat, aber in seiner Gänze, ohne die Schnitte in der Kinemathek. Sie sagte jedoch, sie habe ‘verstanden, dass diese Kürzungen vorgenommen wurden, weil eine Passage sich auf die Berliner Mauer bezog und eine andere Szene zu brutal erotisch war‘. Zur Umgestaltung der Bibliotheksräume sagte sie mir, dass ‘die Zahl der Leser stark zugenommen hat, aber dass einige Leute Angst haben und nicht in den Kartenkatalog aufgenommen werden wollen’.
44. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261899, Bd. 1 / Olczyk Martina (Deckname „OTILIA”), Leiterin der Bibliothek des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1982 – 1986
Seite 36 / Informationsvermerk vom 20. 04. 1983, Quelle: „Banu“: „ […] Fragebögen, die an alle Anwesenden in der Bibliothek ausgeteilt wurden und folgende Fragen enthielten:
- Muttersprache
- Bildungsniveau
- ob für die Arbeit Studien mittlerer Stufe ode Hochschulausbildung erforderlich ist
- ob sie Deutschkurse am Institut besuchen
- was sie in der Bibliothek lesen und was sie gerne mehr lesen würden
- ob sie Fachzeitschriften lesen
- ob sie Musik hören und was sie sonst noch mögen.“
45. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261899, Bd. 1 / Olczyk Martina (Deckname „OTILIA”), Leiterin der Bibliothek des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1982 – 1986
Seite 65 / Vermerk vom 30.08.1983, Quelle: „Pamela“ „Als ich am 25. August im Kulturinstitut der BRD bibliografische Informationen einholte, teilte mir Frau OLCZYK mit, dass ‚etwa 400 Bände aus dem Bereich der bildenden Kunst verschwunden seien‘ und zeigte mir die Karteien der fehlenden Werke. Ich ging sie durch und stellte fest, dass mit Ausnahme von drei Werken, der Rest sich auf die Kunst und die Fotografie des 19. und 20. Jahrhunderts bezog; unter den Titeln befanden sich die wertvollsten und interessantesten Bände und die aktuellsten in Bezug auf das Thema der Forschung. Unter den Titeln befanden sich auch einige über Siebenbürgen. Frau Olczyk vermutet, dass der Diebstahl auf ‚eine Gruppe‘ zurückzuführen ist, die an Reproduktionen und der Kommerzialisierung von Büchern interessiert ist. Ohne ihr meine Meinung in aller Deutlichkeit sagen zu wollen, glaube ich nicht, dass dies der einzige Grund für das Verschwinden der Bände ist.“
46. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 261899, Bd. 1 / Olczyk Martina (Deckname „OTILIA”), Leiterin der Bibliothek des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1982 – 1986
Seite 203, 27.02.1986, Quelle: „Lena“: „Ebenfalls am 24. Februar verließ uns Martina in großer Eile, da sie die Mutter des Schriftstellers Rolf Bossert zum Flughafen fuhr, der, nachdem er mit seiner Familie vor zwei Monaten für immer in die BRD ausgereist war, in Frankfurt a.M. im Aussiedlerwohnheim Selbstmord beging, indem er sich aus einem der Stockwerke des Gebäudes stürzte. Der Grund sei noch nicht bekannt, aber er sei als Schriftsteller in der BRD gut aufgenommen worden und habe bereits an einem Treffen mit Schriftstellern wie Frau Drewitz (die auch in Bukarest gewesen war) und anderen teilgenommen, das in Berlin stattfand. Dort hätte er jedoch Anzeichen einer ausgeprägten nervösen Asthenie gezeigt. Als er aus seinen Opern las, brach er in Tränen aus und zerstörte die Wohnung des Gastgebers, bei dem er in Berlin wohnte. Anschließend flog er nach Frankfurt, wo er Selbstmord beging. Als er noch in Bukarest lebte, gehörten er und seine Frau zu den ständigen Gästen des Kulturinstituts.”
47. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093987, Bd. 1 / Kaczmarek Gabrielle-Anna (Deckname „COCA”), Bibliothekarin im Kulturinstitut der BRD in Bukarest / im Goethe-Institut Bukarest von 1983 – 1987
Seite 27 / Vermerk vom 6.09.1984, Quelle: „Lena“ „Anlässlich eines Besuchs bei Frau Gabrielle erzählte sie mir, dass sie immer wieder durch mysteriöse Telefonanrufe (Männerstimmen) zu jeder Tages- und Nachtzeit gestört und terrorisiert wird und dass sie große Angst habe, so allein in diesem verlassenen Haus zu sein (das ARD-Haus und Frau Höfer waren im August im Urlaub). Im Zusammenhang mit diesen Telefonen sprach sie von „Kontrolltelefonen“ und erzählte, dass in ihrem Kreis und im Kreis der Botschaftsmitarbeiter der Glaube bestünde, dass jeder Ausländer in unserem Land mit Hilfe dieser Telefone überwacht und kontrolliert würde. Und Herr SERWO bestätigte, dass auch er anfangs viele solcher Anrufe erhalten habe. Auch Martina Olczyk beklagte sich, dass sie samstags und sonntags in den frühen Morgenstunden belästigt wurde“.
48. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093987, Bd. 1 / Kaczmarek Gabrielle-Anna (Deckname „COCA”), Bibliothekarin im Kulturinstitut der BRD in Bukarest / im Goethe-Institut Bukarest von 1983 – 1987
Seite 47 und Rückseite / Vermerk vom 27. 03. 1985, Quelle: „Julieta“: „Am Freitag, dem 22. März, waren mein Mann und ich in die Residenz des Botschafters der BRD anlässlich der Verleihung der ‘Goethe’-Medaille an den rumänischen Schriftsteller Augustin Doinaș eingeladen. Wir kamen um 11.30 Uhr an. Es waren etwa 50 Personen anwesend. Von deutscher Seite waren einige mir bekannte Botschaftsmitarbeiter anwesend: der Kulturattaché Huckman, Herr Gallon, der Militärattaché, sowie Vertreter des Kulturinstituts (Direktor W. Sdun mit seiner Frau und Herr Serwo). Die meisten der rumänischen Teilnehmer waren Schriftsteller und Künstler. Erkannt habe ich Nina Cassian, Arnold Hauser mit seiner Frau, Csejka mit seiner Frau, Crohmălniceanu, Paleologu, Eugen Simiom, der Direktor des Jüdischen Theaters, Herr Potra, Frau Săvescu, der Direktor der ‘G. Enescu’-Philharmonie Mihai Brediceanu, Herr Stanca.
Kurze Zeit nach seiner Ankunft hielt Botschafter Schulze Boysen eine Rede und stellte Șt. A. Doinaș als einen der wertvollsten rumänischen Dichter und Übersetzer vor. Durch seine Übersetzung von Goethes Dramen “FAUST I” und “FAUST II” hat er wesentlich zur Annäherung der beiden Kulturen beigetragen. Die Verleihung der Goethe-Medaille steht im Zeichen der positiven Beziehungen zwischen der BRD und Rumänien, die durch den Besuch von Außenminister Genscher neuen Auftrieb erhalten haben. Șt. A. Doinaș bedankte sich für die große Ehre, mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet worden zu sein, eine Auszeichnung von universellem Wert und Widerhall. In seiner Rede verwies er wiederholt auf seinen großen Vorgänger Lucian Blaga, der ebenfalls eine Übersetzung von Goethes Drama realisiert hatte. Er verwies auch auf seine eigenen Übersetzungen der deutschen Literatur von Ben, Hölderlin usw.
[…] Ich sprach auch mit Herrn Gallon und Frau Săvescu über die von Frau Brătescu angefertigten Kollagen „FAUST I“ und „FAUST II“ und bedauerte, dass sie bei der Feier nicht anwesend war und dass die Bücher nicht mehr im Buchhandel erhältlich sind. […]“
49. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093987, Bd. 1 / Kaczmarek Gabrielle-Anna (Deckname „COCA”), Bibliothekarin im Kulturinstitut der BRD in Bukarest / im Goethe-Institut Bukarest von 1983 – 1987
Seite 79 und 80 / Informationsvermerk vom 01.02.1986, Quelle: „Tudor“: „Gabrielle Kaczmarek erzählte mir, dass vor kurzem (sie nannte kein Datum) ein Dekret erlassen wurde, das die Beziehungen zwischen ausländischen und rumänischen Staatsbürgern regelt, und in diesem Zusammenhang machte sie mich darauf aufmerksam, sie nicht von zu Hause aus anzurufen, sondern nur von öffentlichen Telefonen aus und dabei meinen Namen nicht zu nennen. Sie begründete dies damit, dass die Securitate-Leute nichts von meiner Beziehung zu ihr erfahren sollten, weil wir in Schwierigkeiten geraten könnten – ich mehr als sie, da ich beim Militär war. In diesem Zusammenhang erzählte sie mir, dass sie, als sie in der Udriștei-Straße wohnte, Angst hatte, weil sie immer das Gefühl hatte, dass jemand sie aus dem Schatten heraus verfolgte, und dass sie sich in ihrer neuen Wohnung wohler fühlt.”
50. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093987, Bd. 1 / Kaczmarek Gabrielle-Anna (Deckname „COCA”), Bibliothekarin im Kulturinstitut der BRD in Bukarest / im Goethe-Institut Bukarest von 1983 – 1987
Seite 140 und 142 – Brief von Elisabeth Ernst (25.4.1984): „[…] Mit deinem Brief kam auch einer von Martina Olczyk, in dem sie mich bittet, ihr an Dich ein paar Exemplare von Hera Müllers ‚Niederungen‘ zu schicken. Das habe ich gemacht, per Kurier und mit Aktenzeichen (Referat 105 – Sprachendienst), d.h. Kurierkosten solltest du nicht haben.
Bitte, nimm ein Exemplar für Martina raus und gib bitte die anderen Bücher u.a. an Herta oder Richard Wagner weiter. Herzlichen Dank. Da beide ‚freischaffend‘ sind, kommen sie vielleicht ab und zu nach Bukarest – wenn das Geld für die Fahrt reicht. Nächste Woche möchte ich Dir auch gerne einen Brief für sie schicken. […]
Herzliche Grüße, herzlichen Dank, bis nächste Woche,
Deine Elisabeth
Noch was: in der FAZ vom 17.4 war eine Kritik von Hertas Buch, und diese Woche soll in der Süddt. eine erscheinen. Hast du die Möglichkeit, ihr eine Kopie davon zu machen?”
51. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093987, Bd. 1 / Kaczmarek Gabrielle-Anna (Deckname „COCA”), Bibliothekarin im Kulturinstitut der BRD in Bukarest / im Goethe-Institut Bukarest von 1983 – 1987
Seite 203 / Vermerk vom 18.12.1986, Quelle: „Luca“ „Offenbar hat GABRIELLE einige Abonnentenausweise ausgestellt, ohne sie in den Registern einzutragen, so dass weder die Adresse noch der wirkliche Name der Person bekannt ist, für die der Abonnentenausweis ausgestellt wurde. In der Regel muss eine Person, die sich als Abonnent anmeldet, um in das Register eingetragen zu werden, einen offiziellen, von einer Behörde ausgestellten Ausweis vorlegen.”
52. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093987, Bd. 1 / Kaczmarek Gabrielle-Anna (Deckname „COCA”), Bibliothekarin im Kulturinstitut der BRD in Bukarest / im Goethe-Institut Bukarest von 1983 – 1987
Seiten 37 – 39 (einschließlich Rückseite) / Bericht vom 21. März 1986 / Zu den Gesprächen, die HERTA MÜLLER am 12. März 1986 in ihrer Wohnung (Temeswar) mit der westdeutschen Diplomatin ERNST ELISABETH in Anwesenheit von WAGNER RICHARD, dem Lebensgefährten von HERTA MÜLLER, führte: „[…]
Elisabeth Ernst – Meint ihr, wir sollten auch die Arbeitslosigkeit erwähnen?
Richard Wagner – Ja. Ich habe schon gesagt, dass ich aufgefordert wurde, zu gehen, und in meinem Arbeitsvertrag stand ‘auf Wunsch gegangen’.
Elisabeth Ernst – Aber du hast doch sonst nirgends eine Arbeit mehr gefunden! Wie lange bist du schon arbeitslos?
Richard Wagner – Seit Dezember 1983. Bei der ‘Neuen Literatur’ haben sie mich abgelehnt, und beim Schulamt habe ich mich nicht mehr beworben. Und das war, bevor ich meine Auswanderungspapiere eingereicht habe.
Elisabeth Ernst – Und von euch wird nichts gedruckt?
Richard Wagner – Nein! Ich wollte dir gerade sagen, dass wir beide ein Publikationsverbot haben und außerdem dürfen unsere Namen nicht erwähnt werden. Du weißt ja, dass Totoks Arbeitsvertrag ebenfalls gekündigt wurde… […]
Elisabeth Ernst – Aber ihr hattet doch keinen Zugang zu Staatsgeheimnissen, um ein Ausreiseverbot zu bekommen, oder?
Richard Wagner – Natürlich kann man dieses Argument anführen, das stimmt… Aber sie taten so, als hätten wir nicht einmal die Papiere zur Ausreise eingereicht. Sie sagten zu mir: ‘Wie wollt ihr beweisen, dass ihr einen Ausreiseantrag gestellt habt?’ Das kann man nie beweisen!
Elisabeth Ernst – Ihr habt überhaupt keine Anmeldebestätigung bekommen?
Richard Wagner – Nein. Nur diese Postkarte, mit der man dorthin bestellt wird, aber wenn man dann kommt, halten sie die Postkarte ein! Jedenfalls habe ich ein Foto von dieser Postkarte gemacht … ich zeig’s dir mal …
Elisabeth Ernst – Und wenn man jahrelang mit Staatsgeheimnissen zu tun hatte, kann man nicht weg, oder?
Richard Wagner – Ich weiß, wie das bei Journalisten ist, da wird ein 2-jähriges Verbot verhängt! Also in meinem Fall sind es zwei Jahre, aber das kommt für mich nicht in Frage, weil ich seit drei Jahren arbeitslos bin! (er geht die Postkarte suchen und kommt mit ihr zurück). Schau, da ist sie! Das ist alles, was wir haben! […]“
53. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093987, Bd. 1 / Kaczmarek Gabrielle-Anna (Deckname „COCA”), Bibliothekarin im Kulturinstitut der BRD in Bukarest / im Goethe-Institut Bukarest von 1983 – 1987
Seiten 37 – 39 (einschließlich Rückseiten) / Bericht vom 21. März 1986 / Zu den Gesprächen, die HERTA MÜLLER am 12. März 1986 in ihrer Wohnung (Temeswar) mit der westdeutschen Diplomatin ERNST ELISABETH in Anwesenheit von WAGNER RICHARD, dem Lebensgefährten von HERTA MÜLLER, führte:
„[…] Herta Müller sagt, dass das, was GABI (KATZMAREK GABRIELLE – Kulturinstitut der BRD – NT) ihr per Post geschickt hat, noch nicht angekommen sei.
Elisabeth Ernst – …vielleicht kommt es noch an!
Herta Müller – Genau, bei uns dauert es mindestens zwei Monate; die Weihnachtspost haben wir im Februar bekommen! Wir bekommen nie nur einen Brief, sondern immer drei oder mehr, natürlich mit unterschiedlichen Daten. Die Pakete kommen genauso spät.
Elisabeth Ernst – Aha!
Richard Wagner – Wir haben einmal Briefe von Anfang Dezember und Ende Januar zusammen bekommen!
Elisabeth Ernst – Ein Zeichen großen Wohlwollens seitens…
Herta Müller – Ja, aber es gab auch welche, die kamen in 6 Tagen! […]
Richard Wagner – Bei uns kommt in der Regel nichts an, d.h. keine Zeitung, keine Kopie irgendeines Artikels. Nur einer ist ‘durchgerutscht’ und hat uns erreicht, der Artikel über Berlin in der Frankfurter Rundschau, wo dieser Satz über Ceaușescu steht. Das liegt daran, dass sie die Zeitungen nicht lesen, sie überfliegen sie nur! Diesen einen Artikel haben sie wahrscheinlich übersehen. Ich glaube, sie schauen sich nur die ‘Schlagzeilen’ an. […]“
54. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1094470 / Hampinsk Regina Inge (Deckname „IRINA”), Leiterin der Bibliothek des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1987 – 1989
Seite 80 / Statusvermerk vom 27.06.1989: […] Es wurde festgestellt, daß sich in ihrer (n.r. Regina Inge Hampinsk) Zuständigkeit ein Bücherfonds befindet, darunter mehrere Kriminalromane, aber auch einige Bücher unangemessenen Inhalts, die in den letzten Jahren von Schriftstellern deutscher Nationalität, die aus unserem Land stammen, wie Dieter Schlesak und Herta Müller, geschrieben wurden. Sie stehen nicht in den Regalen der Bibliothek oder im Buchkatalog, sondern werden mit ihrer Zustimmung oder der ihrer Stellvertreterin, der westdeutschen Bibliothekarin „Vera“, inoffiziell weitergegeben. […]
55. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1094470 / Hampinsk Regina Inge (Deckname „IRINA”), Leiterin der Bibliothek des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1987 – 1989
Seite 62 und Rückseite / Bericht vom 23. Oktober 1990 […] „Irina“ beschäftigte sich mit der Erarbeitung von Studien und der Kontaktaufnahme mit rumänischen Staatsbürgern, was ihr leicht fiel, da sie aufgrund ihrer Tätigkeit täglich mit rumänischen Staatsbürgern in Kontakt kam, von denen viele Hochschulstudien hatten. Unter diesen Personen knüpfte sie eine ganze Reihe von Verbindungen, die sie zu Informationszwecken zu nutzen versuchte. […]
56. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093339, Bd.1 / Serwo Mathias (Deckname „SUCIU”), Stellvertretender Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1981 – 1986
Seite 9 und Rückseite / Untersuchungsvermerk: […] Während der Deutschkurse, in den Pausen zwischen den Stunden, unter dem Vorwand, die Konversation zu üben, befragt er jeden einzelnen Schüler über seinen Beruf, seinen Arbeitsort, die Besonderheiten seiner beruflichen Tätigkeit und den Ort, wo er arbeitet, über seine familiäre Situation, sein Gehalt, usw.
Ferner zeigte er Interesse an bestimmten Ereignissen (z. B. dem Jiu-Tal) oder Problemen bei der Wärme- und Stromversorgung der Bevölkerung sowie von Unternehmen und Einrichtungen.
Er reiste häufig ins Land, insbesondere in Gebiete mit deutschsprachiger Bevölkerung, wo er Kontakte zu evangelischen Pfarrern, Lehrern und deutschsprachigen Schriftstellern knüpfte. Er zeigte Interesse an der Pflege von Beziehungen zu protestierenden Dissidenten unter Kulturschaffenden und anderen Intellektuellen (Dorin Tudoran, Rolf Bossert, Herta Müller, Richard Wagner, Gerhard Csejka und andere).
Er arbeitete direkt mit dem ehemaligen Kulturattaché der BRD-Botschaft in Bukarest, Huckmann Onno, einem Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, zusammen, dem er die ermittelten Daten und Informationen zur Verfügung stellte. Im Auftrag von Onno Huckmann arbeitete “SUCIU” parallel zur Untersuchung und Analyse der rumänischen kulturellen und politischen Presse, um Daten über den aktuellen Stand der Dinge in der Sozialistischen Republik Rumänien (RSR) auf kultureller Ebene sowie über die Perspektiven der Dissidenz in unserem Land zu erhalten.
Auf der Grundlage dieser Hinweise bemüht sich SUCIU derzeit, Daten über die Situation der Schriftsteller Ana Blandiana, Nicolae Manolescu, Georgeta Dimisianu zu erhalten. […]
57. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093339, Bd.1 / Serwo Mathias (Deckname „SUCIU”), Stellvertretender Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1981 – 1986
Seite 9 und Rückseite / Untersuchungsvermerk: […] Es wurde auch festgestellt, dass „SUCIU“ einige rumänische Bürger dabei unterstützt, Briefe, Pakete oder andere Materialien über die offizielle Korrespondenz des Kulturinstituts zu versenden. Außerdem werden rumänische Staatsbürger, die zu privaten Zwecken ins Ausland reisen, mit Devisen unterstützt.
Nach neuesten Informationen wird „SUCIU“ bis Oktober 1986 in der Sozialistischen Republik Rumänien (RSR) verbleiben und dann in die Zweigstelle des „GOETHE“-Instituts in Jerusalem versetzt werden.
58. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093339, Bd.1 / Serwo Mathias (Deckname „SUCIU”), Stellvertretender Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1981 – 1986
Seite 40 / Informationsvermerk vom 19.04.1982:
Im Laufe des Monats April dieses Jahres nimmt die Quelle neben dem Deutschunterricht an folgenden Veranstaltungen im Kulturinstitut der BRD teil:
a. Treffen mit dem westdeutschen Schriftsteller Peter Härtling, der im Lande war, weil sein Roman „Hubert oder die Rückkehr nach Casablanca“ am 7. April des laufenden Jahres in rumänischer Übersetzung im Verlag „Univers“ erschienen war. Bei dieser Gelegenheit spricht der Autor über seine Arbeit im Bereich der Dokumentation, sein eigenes Schaffen und die Veröffentlichung von Büchern über und für Kinder und Jugendliche, da er als einer der produktivsten zeitgenössischen Autoren in der BRD in diesem Bereich bekannt ist. Der Quelle ist nichts Besonderes aufgefallen, weder im Inhalt der ansonsten sehr sachlichen Äußerungen von Herrn Härtling, noch im Verhalten der Gäste. Bemerkenswert ist die sehr kleine Zahl der Teilnehmer, von denen die Quelle außer den Hausgästen niemanden kannte.
b. Vortrag von Prof. Zoe Dumitrescu-Bușulenga und Iosif Sava vom Rumänischen Fernsehsender TVR zum Thema „Goethe und die Musik“, gefolgt von einem Liederabend mit Texten von Goethe, vorgetragen von Martha Kessler, mit Iosif Ion Prunner am Klavier, am 26. April. Das Publikum war viel größer als bei der Veranstaltung unter Punkt a. […]
59. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093339, Bd.1 / Serwo Mathias (Deckname „SUCIU”), Stellvertretender Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1981 – 1986
Seite 54 und Rückseite / Vermerk vom 8. Juni 1982, Quelle: „Cristina“: Am Montag, dem 6. Juni 1982, fand im Kulturinstitut der BRD ein Treffen zwischen den Mitarbeitern des Instituts in Bukarest und den Gästen aus den anderen Goethe-Instituten statt. An dem Treffen nahm auch der Kulturattaché der BRD, Dr. Cristoph Jacobs, teil. Das Treffen begann um 18.30 Uhr und dauerte bis 21.30 Uhr. Teilnehmer waren: der Generalsekretär des Goethe-Instituts München, Dr. Harnischfeger, der Leiter des Goethe-Instituts München in Belgrad, der Leiter in Zagreb und Dr. Winfried Sdun aus Kopenhaga, der zukünftige Leiter in Bukarest, sowie die Mitarbeiter des Instituts. […]
Dr. Harnischfeger, der Generalsekretär in München, drückte in einem Gespräch mit der Quelle sein Erstaunen darüber aus, dass es noch kein rumänisches Kulturinstitut in München gibt, obwohl das Goethe-Institut in Bukarest auf der Grundlage eines bilateralen Vertrages eröffnet wurde. Es gibt ein speziell eingerichtetes zweistöckiges Gebäude, das nicht genutzt wird. Er hoffe, dass er nach dem Empfang am Mittwoch in der Residenz des Botschafters mit einigen rumänischen Beamten ein Gespräch in diesem Sinne führen könne.
Es wurden die Probleme der Goethe-Institute in den beiden Ländern, Jugoslawien und Rumänien, erörtert. Bei dieser Gelegenheit erwähnten Direktor Serwo und Kulturattaché Iacob die Schwierigkeiten des Kulturinstituts, die monatlichen Programme vom Rat für Kultur und sozialistische Erziehung genehmigen zu lassen, die Verpflichtung zur Selbstzensur von Filmen auf Hinweis des Rates und andere Einwände in letzter Minute, die das Erscheinen der Programme lange hinauszögern. […]
60. CNSAS (Nationaler Rat für die Aufarbeitung der Securitate-Archive) / Fonds: I 1093339, Bd.1 / Serwo Mathias (Deckname „SUCIU”), Stellvertretender Leiter des Kulturinstituts der BRD in Bukarest / des Goethe-Instituts Bukarest von 1981 – 1986
Seite 115 / Informationsvermerk vom 26.02 1983, Quelle: „Popescu TR.“: Die Quelle berichtet folgendes über die Tätigkeit von Herrn MATHIAS SERWO bei den Deutschkursen im Kulturinstitut der BRD.
„Herr Mathias Serwo hat in zwei aufeinanderfolgenden Wochen in zwei Sitzungen (zu je 2 Stunden) West- und Ostberlin anhand von Diaprojektionen vorgestellt und bei dieser Gelegenheit auch eine ‘Geschichte’ des Vorkriegs- und Nachkriegsdeutschlands präsentiert. So stellte er die Behauptung auf, dass die BRD Berlin als einzige Hauptstadt von ganz Deutschland betrachte und Bonn nur eine vorübergehende Hauptstadt sei. Er erklärte, dass sich die Residenz des Bundespräsidenten in West-Berlin, im Schloss Belle-Vue, befindet. Er zeigte das Denkmal „Berliner Luftbrücke“, das zur Erinnerung an die Blockade West-Berlins durch die UdSSR errichtet wurde. Er zeigte eine Reihe von Dias der Mauer, die die beiden Teile Berlins trennt, und die Inschriften auf dieser Mauer wie: „Das kommunistische Paradies liegt jenseits“, „Die dunkle Kammer des Sozialismus“ usw. Er erklärte, dass dieser Korridor vermint sei. Er wies auf das sowjetische Denkmal in West-Berlin hin und sagte, dass es von den Sowjets und den Amerikanern bewacht wird, damit es nicht zerstört wird. Er machte eine Reihe von prinzipienlosen und beleidigenden Äußerungen über das gesellschaftliche System der DDR.”
61. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B96 – EA Band 873 630-641.10/3 RUM – Eröffnung des Kulturinstituts in Bukarest
Ansprache des Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus von Bismark, aus Anlaß der Eröffnung des Kulturinstituts der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest am Montag, 26. November 1979
„[…] Das schöne, von alter Kultur zeugende Gebäude, das die rumänische Regierung zur Verfügung gestellt und renoviert hat, wird uns nicht nur eine äußere Hilfe, sondern auch ein Anreiz sein, dies Gehäuse mit Leben zu füllen. […]
Was heißt „Leben”, wie wir es uns auch in diesem Hause wünschen?
Es heißt: Wir erhoffen uns, daß durch die Ausstrahlung dieses Hauses bei seinen rumänischen Besuchern die Neugier wächst, mehr nicht nur über Goethe und Beethoven, sondern über das heutige kulturelle Leben in der Bundesrepublik zu erfahren, wie es sich etwa durch Namen wie Grass und Stockhausen darstellt.
Es heißt: Wir erhoffen uns durch Begegnungen mit rumänischer Kultur in diesem Hause, daß bei den deutschen Gesprächspartnern Autoren, Künstlern und Wissenschafltern und nicht zuletzt bei unserem kleinen Team von Mitarbeitern die Neugier wächst, mehr von rumänischer Kultur zu erfahren, nicht nur über die ungebrochene volksmusikalische Tradition dieses Landes, über Ausstrahlungen von Brancusi, über rumänische Surrealisten, sondern zum Beispiel auch über das, was junge Menschen heute in diesem Lande an Worten, Bildern, Theater beschäftigt; der Wunsch, mehr von rumänischer Kultur zu erfahren, erstreckt sich unseserseits aber zum Beispiel auch auf die Kultur des menschlichen Zusammenlebens, wahrnehmbar bei einer Bauernhochzeit in den Karpathen oder in einem modernen Industriebetrieb.
Es heißt aber gewiß auch: Wir erhoffen uns von einem möglichst offenen Dialog auf der kulturellen Frequenz Impulse; mehr in die beiderseitige Geschichte einzudringen; nicht nur an Hand der Feststellung, wie sehr die rumänische Sprache, die Identität mit Romania, den römischen Untergrund deutlich macht; nicht nur im Hin und Her europäischer Impulse in der Malerei. Sondern Sie sollen deutlich wissen, daß wir es im Blick auf Vergangenheit und Gegenwart für abwegig halten, einen Grundsatzunterschied zwischen Kultur und Politik zu machen; d.h. die Auswirkungen früherer, aber auch der jüngsten politischen Geschichte auf die kulturelle Entwicklung Ihres wie unseres Landes interessieren uns beide – wie ich vermute – und dürfen in diesem Hause nicht verdrängt werden. […]”
62. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B96 – EA Band 873 630-641.10/3 RUM – Eröffnung des Kulturinstituts in Bukarest
Ansprache des Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus von Bismark, aus Anlaß der Eröffnung des Kulturinstituts der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest am Montag, 26. November 1979
„[…] Die Ausführungen von Frau Staatsministerin Hamm-Brücher haben schon angesprochen,
- Daß es uns auf dieser kulturellen Frequenz und in diesem Lande nicht zunächst um das Europa von Brüssel, von Straßbourg, sondern um das von Helsinki geht,
- Daß wir um der übergeordneten Zielsetzungen von „Entspannung“ und „Frieden“ sogar vermehrt daran interessiert sind, die kulturellen Beziehungen gerade zu Ländern zu pflegen, deren Gesellschaftsordnung sich von der unsrigen erheblich unterscheidet.
Wir sind dieser Überzeugung, nicht weil wir die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen Staaten verschiedener Gesellschaftsordnungen unterschätzen, sondern weil wir überzeugt sind, daß es gerade darum geht, diese Unterschiede auch verständlich und partnerschaftlich annehmbar zu machen. Man überwindet solche Schwierigkeiten nicht, indem man sie verdrängt.
So wie ich unsere Mitarbeiter kenne, bin ich überzeugt, daß es ihnen gelingen kann, sich das Vertrauen zu erwerben, das für den partnerschaftlichen Dialog in diesem Hause unerläßlich ist. Sie sind darauf angewiesen, daß man sie nicht als ‘Missionare’ einer bestimmten politischen oder kulturellen Weltanschauung mißversteht, sondern – nicht zuletzt im Interesse von Entspannung und Frieden – als Partner aufnimmt. […]”
63. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B96 – EA Band 873 630-641.10/3 RUM – Eröffnung des Kulturinstituts in Bukarest
Ansprache des Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus von Bismark, aus Anlaß der Eröffnung des Kulturinstituts der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest am Montag, 26. November 1979
„[…] Zum Abschluß sollen Sie wissen,
- daß die Regierung unserer Bundesrepublik zur Durchführung der Programme im Bereich des internationalen Kulturaustausches ausdrücklich keine Regierungsorganisationen vorsieht, sondern sogenannte Mittlerorganisationen wie die unsere, die ihre Programme relativ selbständig gestalten. Darin unterscheiden wir uns also deutlich von Franzosen, Engländern und Amerikanern.
- Für die Arbeit des Goethe-Instituts ist überall das partnerschaftliche Prinzip maßgebend, d.h. was an Programmen in einem Gastland verwirklicht wird, wird nicht in einer Zentrale in Bonn oder München, sondern in Kooperation mit den Repräsentanten der Kultur in diesem Gastland bestimmt und festgelegt. Dazu bedarf es eines vertrauensvollen Kontaktes. Die Verträge, die unsere beiden Regierungen geschlossen haben, setzen hierfür einen Rahmen. Aber solche reibungslose Zusammenarbeit hängt überall nicht nur von Institutionen, sondern in und mit ihnen auch von einzelnen Menschen ab.
- Diese Abhängigkeit von einzelnen Menschen gehört zum Wesen der Kultur, wie es ebenso dazu gehört, nationale Grenzen und solch unterschiedliche politische Systeme immer wieder neu zu sprengen.”
64. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B96 – EA Band 873 630-641.10/3 RUM – Eröffnung des Kulturinstituts in Bukarest
Ansprache von Dr. Hildegard Hamm-Brücher, Staatsministerin im Auswärtigen Amt der BRD, zur Eröffnung des Kulturinstituts der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, 26. November 1979
„Mit großer Freude eröffne ich heute im Namen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland das Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest. […]
Die Regierung meines Landes fördert diese vielfältige kulturelle Zusammenarbeit als einen wichtigen Teil unserer Friedens- und Entspannungspolitik in Europa. Wir sehen darin die Verwirklichung der Prinzipien der Schlußakte von Helsinki, insbesondere der wichtigen Vereinbarungen über „Zusammenarbeit und Austausch im Bereich der Kultur“.
Diese Vereinbarungen haben das Ziel:
‘ – die gegenseitige Information im Hinblick auf eine bessere Kenntnis der kulturellen Leistung
zu entwickeln,
– die materiellen Möglichkeiten für Austausch und Verbreitung kultureller Güter zu verbessern,
– den Zugang aller zu den jeweiligen kulturellen Leistungen zu fördern,
– Kontakte und Zusammenarbeit zwischen Personen zu entwickeln, die eine kulturelle Tätigkeit ausüben,
– neue Bereiche und Formen der kulturellen Zusammenarbeit zu suchen’.
Wir hoffen und wünschen, daß unsere beiden Kulturinstitute einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung dieser Ziele leisten können.
Unsere jahrhundertalte europäische Kultur reicht weiter als die Europäische Gemeinschaften und die Staaten des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe. Sie umfaßt beide Seiten und noch weitere Staaten dazu.
In der reichen Kulturgeschichte Europas haben schon immer verschiedene Traditionen in Literatur, Philosophie, Kunst, Musik und Wissenschaft aufeinander eingewirkt und einander befruchtet. […]”
65. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B96 – EA Band 873 630-641.10/3 RUM – Eröffnung des Kulturinstituts in Bukarest
Ansprache von Dr. Hildegard Hamm-Brücher, Staatsministerin im Auswärtigen Amt der BRD, zur Eröffnung des Kulturinstituts der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, 26. November 1979
„[…] Als der Bundesminister des Auswärtigen Hans-Dietrich Genscher vor einigen Wochen in Bukarest war, hat er dieses Haus besucht und dabei die Hoffnung ausgesprochen, daß sich unsere neuen Kulturinstitute besonders auch der interessierten Jugend beider Länder öffnen, damit vor allem die junge Generation das jeweils andere Land besser kennen und verstehen lernt. Diesem Wunsch und dieser Hoffnung möchte ich mich heute anschließen. Mögen möglichst viele junge Besucher die kulturellen Angebote der beiden Institute nutzen.
Im Jahre 1967 hat die Sozialistische Republik Rumänien als einer der ersten Staaten Osteuropas diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Heute ist Rumänien das erste Land dieser Region, in dem wir gengenseitig Kulturinstitute errichten. Wir vertrauen auch weiterhin auf die gute Zusammenarbeit mit dem rumänischen Außenministerium und dem Rat für sozialistische Kultur und Erziehung der Sozialistischen Republik Rumänien. Meine Regierung hofft zuversichtlich, daß beispielhafte Vorgehen Rumäniens in der kulturellen Zusammenarbeit auch andere Staaten ermutigen wird, den gleichen Schritt zu tun. Kulturaustausch und kulturelle Zusammenarbeit in Europa im Rahmen unseres Kulturabkommens und der Schlussakte der ‘Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa’ in Helsinki, das sind auch ‘vertrauensbildende Maßnahmen’, die den Frieden für unsere Völker sicherer machen. – In diesem Sinne eröffne ich das Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest mit den besten Wünschen meiner Regierung, meines Landes und seiner Bürger.”
66. Quelle: Der autobiografische Band ”Lebenskreise” des ersten Direktors des Goethe-Instituts Bukarest, Dr. Uwe Martin, epubli GmbH, 2012, S. 189 -190
„[…] Unsere Arbeit kam einigermaßen voran. Es fehlte nicht an Interesse. Allerdings gab es manche ideologisch bedingten Hindernisse. Gegenüber von unserem Eingang war die italienische Botschaft, vor der ein Schilderhäuschern stand, und in dem Häuschern befand sich immer ein Soldat, der unsere Besucher fotografierte. Vor allem Studenten und jüngere Menschen der deutschsprachigen Minderheit mussten für jeden Besuch bei uns die Genehmigung der Partei einholen. Nur an alten Leuten war der Geheimdienst nicht interessiert. Die jungen Leute wollten unsere bald schon ganz gut ausgestattete Bibliothek, wollten natürlich auch Schallplatten und Tonbänder benutzen, wollten Werke ausleihen, die in diesem Land auf der Verbotliste standen. Da sie natürlich Ausschluss vom Studium und Schwierigkeiten im Beruf unbedingt vermeiden wollten, schickten sie ihre Großmutter oder Kinder, die von den Wächten nicht kontrolliert wurden, mit Einkaufstaschen und Titellisten zu uns. Unsere Filmprogramme waren auch gut besucht. Wir wussten natürlich, was die Zensoren beanstanden würden. Darum sahen wir uns die Filme an, bevor wir sie zur strikt vorgeschriebenen Zensur gaben, und schnitten erotische und politisch unerwünschte Stellen heraus, die wir später wieder hineinklebten. Auf diese Weise konnten wir die meisten Filme unserem Publikum vorführen. Ebenso verfuhren auch die Kollegen der französichen und amerikanischen Kulturinstitute. […]”
67. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/782 Institute A-J
Artikel von Ingrid Vollmer in der Zeitung Badische Neuste Nachrichten, 14.01.1990
„Linkenheim-Hochstetten/Bukarest. ‘Ich bin sehr gespannt und gleichzeitig froh, daß ich wieder nach Bukarest komme. Ich glaube, daß ausländische Kulturinstitute dort jetzt sehr wichtig sind und wir nun auch freier arbeiten können’, sagt Andrea Wittek, 26jährige Diplom-Bibliothekarin aus Hochstetten. Sie flog jetzt nach Rumänien zurück, wo sie in der Bibliothek des Goethe-Instituts tätig ist. Hautnah erlebte die junge Frau die ersten Demonstrationen in diesem Ostblockland mir, bemerkte täglich die Repressalien, denen die Rumänen ausgesetzt waren und die Verunsicherung der Menschen. So war es für sie auch sehr schwierig, Kontakt zu Einheimischen zu bekommen. ‘Es herrschte ja offiziell Kontaktsperre zu Ausländern. Man konnte nie auf jemanden zugehen und mit ihm reden. Derjenige war dann automatisch in Gefahr’, erinnert sie sich an Kontaktbemühungen. […]
‘Allerdings kamen nur bestimmte Leute zu uns, denn man brauchte einen Erlaubnisschein’, erzählt die 26jährige von der Zeit vor dem Umschwung. Nur Schüler bis zur zehnten Klasse, Studenten und Rentner durften ohne diese Erlaubnis in die Bibliothek des Goethe-Instituts. Außerdem wurden Veranstaltungs- und Ausleihprogramme des Instituts von einem Kulturausschuss streng zensiert. ‘Tageszeitungen durften überhaupt nicht ausgeliehen, nur ausgelegt werden, ebenso der Stern und der Spiegel’, sagt sie. Gerade Zeitungen und Zeitschriften aus dem Westen waren jedoch stets begehrt. […]
Welche Rolle ausländische Institutionen in einem Land wie Rumänien spielen, erlebte Andrea Wittek am 21. Dezember, dem Tag der Demonstrationen bei der letzten öffentlichen Kundgebung Ceausescus in Bukarest. Eine Stunde nach Bibliotheksöffnung kam eine Frau direkt von der Kundgebung, die sich zu einer Gegendemonstration entwickelt hatte, zu Andrea Wittek. Sie schilderte, dass alle Demonstranten eingekesselt seien, Panzer und Amphibienfahrzeuge rollten an der Bibliothek vorbei. ‘Die Frau war nur gekommen, um uns zu danken. Sie sagte, nur über die Bibliothek habe sie kennengelernt, was Freiheit wirklich ist und was im Westen los ist. Sie brachte uns Blumen’, erinnert sich Andrea Wittek.”
68. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 Bukarest 1966 – 1979
Artikel von Anne Rose Katz in der Deutschen Zeitung / Christ und Welt Düsseldorf, 23.11.1979
„Ende des Monats weiht das Goethe-Institut seine erste offizielle Niederlassung innerhalb des Ostblocks sein. Ob mit der Premiere in Rumänien ein Durchbruch gelingt, wagen selbst Optimisten vorerst nicht zu hoffen.
Bukarest, Strada Frimu 22: An der Tür der alten schönen Villa, die vom rumänischen Staat renoviert wurde, prangt ab 26. November das Schild ‚Casa de Cultura a Republicii Federale Germania.‘ Es ist die erste Filiale des Goethe-Instituts im Ostblock, deren Eröffnung von den beiden Regierungen direkt ausgehandelt wurde. Die delikate Unterschlagung unseres Großolympiers im Namen des Instituts hat polit-psychologische Gründe. Dem Ostblock ist ein frei operierendes Institut viel unheimlicher als ein Haus, das einer fremden Regierung untersteht. Allerdings wurde die Verwaltung des Hauses trotzdem in die Obhut des Goethe-Instituts und seiner Mittarbeiter gegeben. Die Anreise von Frau Staatminister im Auswärtigen Amt, Hamm-Brücher, zur Eröffnung unterstreicht den Modellcharakter der 199. Filiale, den auch der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus von Bismarck, durch seine Anwesenheit betont. […]”
69. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 Bukarest 1966 – 1979
Artikel von Anne Rose Katz in der Deutschen Zeitung / Christ und Welt Düsseldorf, 23.11.1979
„[…]Gerade in einem Land mit einem anderen gesellschaftlichen System ist es wichtig, den kulturellen Austausch aus dem Bereich der enzyklopädischen Information herauszunehmen. Klaus von Bismarck postuliert geradezu die Aktualisierung der Inhalte: ‚Nach meiner Auffassung muß der (herkömmliche) Kulturbegriff erweitert werden durch den der politischen Kultur; das heißt: die Kultur, wie wir auch bei unterschiedlichen Interessen und Meinungen zum Beispiel als einzelne, Gruppen und Völker miteinander umgehen, gewinnt einen immer größeren Stellenwert. Es handelt sich also keinesfalls nur um den Bereich des Musischen, der Wissenschaft, der Bildung.‘ Diese neue Richtung der Goethe-Strategie arbeitet mit dem Begriff der Partnerschaft, der Gegenseitigkeit. Darum ist es auch nur logisch, daß den Rumänen schon eine Villa in München zur Verfügung gestellt wurde, um hier ein entsprechendes Institut zu installieren.
Die Auswirkungen früherer, aber auch der jüngsten politischen Geschichte auf die kulturelle Entwicklung beider Länder interessieren wohl beide Seiten und sollen in Zukunft nicht verdrängt werden. Wo man partnerschaftlich und offen den Dialog führt, da ist natürlich für ‚Missionare‘ kein Platz. […]”
70. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 Bukarest 1966 – 1979
Artikel von Anne Rose Katz in der Deutschen Zeitung / Christ und Welt Düsseldorf, 23.11.1979
„[…] In den osteuropäischen kommunistischen Staaten ist der kulturelle Austausch überall dadurch behindert, daß die eigene Kultur fast ausschließlich vom Staat organisiert und reglementiert wird. Bei uns hingegen sind viele freie Kräfte, Gemeinden, Stiftungen, Mittlerorganisationen als Partner für andere Länder aktiv. Viele osteuropäische Länder können also in Kooperation mit Städten oder Vereinigungen Kulturveranstaltungen in der Bundesrepublik zustande bringen, während das umgekehrt begrenzter und mühsamer ist, weil der staatliche Apparat in diesen Ländern die flexible Kommunikation beeinträchtigt. Nicht gerade förderlich sind auch Nachwirkungen des noch längst nicht bewältigen Kalten Krieges, wenn zum Beispiel Instituten wie die Friedrich-Ebert-Stiftung oder das Goethe-Institut immer wieder einmal als Hilfsorganisation des Bundesnachrichtendienstes oder gar der CIA diffamiert werden. Mit diesen psychologischen Schwierigkeiten muß Goethe offenbar noch eine Zeitlang leben und sich – zu mindestens im Titel – unsichtbar machen wie in Bukarest. Die übergeordnete Zielsetzung von ‚Entspannung‘ und ‚Frieden‘ auf dem Hintergrund gesamteuropäischen Denkens muß die Tricks heiligen. Kultur überschreitet Blockgrenzen auf vielen Wegen.
In Rumänien beispielsweise wurde eine erstaunliche Affinität zur deutschen Sprache und Kultur gerade bei der jungen Generation ausgemacht. Eine Minderheit von 330 000 Deutschstämmigen ist ohnehin aktenkundig. So wird der erste tastende Schritt ins Neuland bestimmt zur sprachlichen Kommunikation führen. Eine ungebrochene Volksmusiktradition in Rumänien dürfte nach Entsprechungen bei uns suchen. Neugierig ist man in Osteuropa auch auf theatralischen und cineastischen Austausch. […]”
71. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 Bukarest 1966 – 1979
Artikel in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.1979
„V. M. Bukarest, 25. November. An diesem Montag wird in Bukarest das Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland seiner Bestimmung übergeben. Es ist eine Zweigstelle des Goethe-Institutes, das jedoch in Rumänien nicht unter dieser Bezeichnung auftreten kann. Die Übergabe des Instituts hat eine längere Vorgeschichte. 1973, anläßlich des Besuches von Staats – und Parteichef Ceausescu in der Bundesrepublik Deutschland, wurde darüber eine Regierungsvereinbarung unterzeichnet. Rumänien konnte in München ein Kulturinstitut eröffnen, und der Bundesrepublik wurde in Bukarest ein kleines Palais in der Frimu-Straße zur Verfügung gestellt, das 1926 von einem bekannten Bukarester Arzt gebaut worden war. Es beherbergte in der Nachkriegszeit rumänische Anstellen und wurde nunmehr auf Kosten der rumänischen Seite in zweijähriger Arbeit renoviert. In seinen repräsentativen und gut wirkenden Räumen beherbergt es eine Bibliothek mit schon jetzt rund 2500 Bänden. Das Schwergewicht des bisherigen Buchbestands liegt auf den Gebieten Nachschlagewerke und moderne deutsche Literatur; weiterhin gibt es einen Mehrzwecksaal für Konzerte, Ausstellungen und kleiner Theater sowie ein modernes Klassenzimmer mit elektronischen Einrichtungen und eine Sammlung von Schallplatten. Geleitet wird das Institut von Dr. Uwe Martin, bisher Leiter des Goethe-Institutes in Amsterdam. […]”
72. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 Bukarest 1966 – 1979
Artikel in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.1979
„[…] Neben dem deutschen Kulturinstitut werden demnächst auch Kulturinstitute Ungarns und der Tschechoslowakei ihren Betrieb aufnehmen in dem Balkanland. Rumänien war bisher gegenüber kulturellen Beinrichtungen ausländischer Staaten eher zurückhaltend, doch bestanden seit den sechziger Jahren solchen Frankreichs, der Vereinigten Staaten und Großbritanniens. Die Sowjetunion entfaltet ihre kulturelle Tätigkeit durch sogenannte ‘Freundschaftsgesellschaften’. Bemerkenswert ist, daß die DDR bisher ein Kulturinstitut nicht eröffnet hat und vorläufig daran auch nicht denkt, Rumänien hat als einziges Ostblockland bei den Kontakten zur deutschen Kultur seit langem eher der Bundesrepublik Deutschland als der DDR den Vorzug gegeben. Dies ist schon wegen der deutschen Minderheit von einiger Bedeutung. Das deutsche Kulturinstitut in Bukarest denkt nicht, die rumänisch-deutsche Minderheit zum Mittelpunkt ihrer Tätigkeit zu machen, sondern es will in erster Linie in die rumänischen Kreise hineinwirken, unter anderem auch den Unterricht in deutscher Sprache fördern. […]”
73. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 Bukarest 1966 – 1979
Artikel von Harry Schleicher in der Frankfurter Rundschau, 27.11.1979
„In dem schmucken Mehrzwecksaal des Kulturinstituts der Bundesrepublik Deutschland in der Bukarester Strada Frimu 22 spielte ein deutsches Klaviertrio Mendelssohn-Bartholdy und Enescu. Die deutschen und rumänischen Klänge waren neben den offiziellen Reden die würdige Begleitmusik zu einem kulturpolitischen Ereignis, das in seiner Bedeutung über die engen bundesdeutsch-rumänischen Beziehungen hinausreicht. Das am Montag in der rumänischen Hauptstadt in Auswesenheit von Frau Hildegard Hamm-Brücher, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, sowie anderen politischen Persönlichkeiten seiner Bestimmung übergebene Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland (eigentlich ein Goethe-Institut, das hier jedoch seinen Namen nicht tragen darf) ist bislang ohne Vorbild in Osteuropa. Abgesehen vom blockfreien Jugoslawien ist dieses Bukarester Kulturzentrum das erste bundesdeutsche dieser Art in der kommunistischen Welt. 35 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, in dessen Verlauf noch starker als schon vor 1939 deutsche Kulturpolitik politisch in Verruf gekommen war, darf die Bundesrepublik nun zumindest in Rumänien kulturpolitisch als Institution wieder ständig present sein. […]”
74. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 Bukarest 1966 – 1979
Artikel von Harry Schleicher in der Frankfurter Rundschau, 27.11.1979
„[…] Die Bukarester Premiere, die vielleicht auch irgendwann in anderen Ländern Osteuropas Schule machen könnte, demonstriert den Wandel gegenüber der Bundesrepublik, der nach der Bonner Ost- und Entspannungspolitik eingetregen ist. […] Auf rund 100 Quadratmeter Nutzfläche in einem 1926 von einem Arzt erbauten palaisähnlichen Gebäude soll allen interessierten Rumänen Zugang zu deutscher Kultur und bundesdeutscher Wirklichkeit vermittelt warden.
In einer Bibliothek stehen vorerst rund 2500 Bücher – verschiedenartige Nachschlagewerke, neue und neueste Literatur, aber auch deutsche Übersetzungen rumänischer Schriftsteller – zur Verfügung. Dazu kommen einige deutsche Tageszeitungen und Zeitschriften. In einer Mediothek kann man durch Videorecorder aufgezeichnete TV-Filme sehen und Schallplatten hören. In dem 150 Personen Platz bietenden Mehrzwecksaal warden regelmäßige Filmvorführungen, aber auch Musikveranstaltungen and Vorträge stattfinden. Eine Simultanübersetzungsanlage steht zur Verfügung.
Das Herzstück aber, so hoffen die Verantwortlichen, soll das elektronische Sprachlabor werden. Es soll als Fortbildungsanstalt für rumänische Staatsbürger als seine Adressanten und nicht etwa die in Bukarest ohnehin kleine deutsche Volksgruppe.
In welchem Maße all diese modernen Einrichtungen tatsächlich von den rumänischen Staatsbürgern in Zukunft genutzt werden, bleibt abzuwarten. Die Erfahrungswerte einiger in Bukarest bereits bestehender westlicher Kulturinstitute – am längsten sind Frankreich, die USA und Italien vertreten, aber noch nicht die DDR -, zeigen an, daß vorwiegend ältere Leute und Studenten, die sich der Einrichtung auch für wissenschaftliche Zwecke bedienen, die Besucher sind. Bei der bereits im Beruf stehenden mittleren Generation glaubt man hingegen eine offenbar politisch motivierte Zurückhaltung festzustellen. Angesichts der Tatsache, daß Kontakte mit Ausländern in Rumänien mitteilungspflichtig sind, ercheint das verständlich. […]”
75. Quelle: Der autobiografische Band ”Lebenskreise” des ersten Direktors des Goethe-Instituts Bukarest, Dr. Uwe Martin, epubli GmbH, 2012, S. 193
„[…] Besonders interessant wurde für uns bald ein Kreis junger, Deutsch schreibender Literaten aus Temeswar, Hermannstadt und Bukarest. Da sich einige von ihnen für Kinderbücher interessierten, lud ich den bei uns bekannten Schriftsteller Peter Härtling für ein Seminar und Lesung ein. Wichtiger war mir, dass ich die jungen Leute am Abend mit Härtling zu mir nach Hause einladen konnte. Härtling interessierte sich wie ich für das, was die jungen Leute unter den sehr schwierigen politischen Verhältnissen zu Papier brachten. Trotz einiger Schwierigkeiten von Seiten der Securitate hatte sich fast ein Dutzend junger Dichter bei mir privat versammelt. Einige hatten den Mut, unserem Gast Peter Härtling von ihren Arbeiten vorzulesen.
Unter diesen Texten, Gedichten oder Prosa beeindruckte uns am stärksten Herta Müllers Kapitel aus ihrer ersten Prosaveröffentlichung „NIEDERUNGEN”. Härtling versprach, Herta Müller bei ihm bekannten westdeutschen Verlegern zu empfehlen. […]”
76. Quelle: Der autobiografische Band ”Lebenskreise” des ersten Direktors des Goethe-Instituts Bukarest, Dr. Uwe Martin, epubli GmbH, 2012, S. 194-196
„[…] Eines Morgens bekam ich unerwarteten Besuch von zwei meiner deutsch-rumänischen Dichterfeunde. Fast hätte ich sie nicht wiedererkannt, so schrecklich waren sie zugerichtet und bis zur Unkenntlichkeit bandagiert. […] ‘Um Gottes Willen, was ist los mit Ihnen?’ fragte ich. ‘Nicht mehr viel.’ Bossert brachte das mühsam durch die Zähne. Einen doppelten Kiefernbruch hatte er und einiges andere, was er nicht so wichtig fand. Hensel hatte ein Schlagring von oben auf den Kopf getroffen. Eine blutige Wunde, Gehirnerschütterung und zeitweiliger Gedächtnisverlust waren die Folgen. Wie konnte das geschehen? Die beiden waren ein bisschen alkoholisiert und nicht allzu spät von dem Bukarester Schriftstellerrestaurant aufgebrochen. Unterwegs hatte sie dann ein Rollkommando der Securitate überfallen und niedergeschlagen. Hatte die Securitate vielleicht an irgendwelchen Texten oder nur an dem bescheidenen Erfolg der beiden Dichter Anstoß genommen? Das waren doch Unmenschen, die deutschsprachige Literatur gar nicht lesen konnten. In moderner Lyrik ließ sich manches zwischen den Zeilen sagen, was die rumänischsprachigen Zensoren nicht verstanden. Zu der ‘Aktionsgruppe Banat’ hatten die beiden gehört, hatten versucht, sich als wahrheitsliebende Sozialisten gegen den korrupten Staat zu behaupten. Ihre kritischen Gedanken versuchten sie, in ihren Versen zu verstecken, wo die Zensoren sie nicht verstanden. […]
Unsere beiden misshandelten Dichter, Bossert und Hensel, um nur diese Namen zu nennen, stellten noch zu meiner Bukarester Zeit ihre Ausreiseanträge. Sie verloren daraufhin ihre Lektorenstellen beim deutschsprachigen Verlag und wurden auf niederträchtige Art terrorisiert, bis sie endlich ihren Pass erhielten und nach Westen reisen durften. Wir hielten zu einigen unserer literarischen Freunde auch nach ihrer Aussiedlung nach Westdeutschland Kontakt. Was uns erschütterte war, dass Rolf Bossert, der Begabteste unter den jungen Lyrikern sich bald nach seiner Ankunft im Westen wohl in einem Anfall schwerster Depression aus dem vierten Stock des Aussiedlerhauses zu Tode stürzte. […]”
77. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95-ZA 124110_631-630 SE 0543/4 – Bühnen der Stadt Köln
Aus: Bukarest / Nr. 813 vom 1.10.1974 /An Bonn AA / betr: deutsch-rumänisches Tätigkeitsprogramm, hier: Theateraustausch Köln-Bukarest / gez. Kilian
„[…] dabei übermittelte rumänische Seite unter Voraussetzung der Einbringung in Zweijahresprogramm Herrn Heyme die Einladung zu einem Gastspiel mit seiner Inszenierung der ‘Jungfrau von Orleans’’. Als Termin wurde April-Mai 1975 genannt. Zugleich wurde eine Ausdehnung des Gastspiels auf Provinz (sprich: deutschsprachige Gebiete) angeboten. Heyme seinerseits versprach, sich für die Durchführung eines rumänischen Gastspiels in Köln im Herbst 1975 einzusetzen. Darüber hinaus luden die Rumänen Herrn Heyme zu einem Regiegastspiel am Nationaltheater Bukarest mit einem Stoff seiner Wahl zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt ein. Der Vorschlag Heymes, Sophokles ‘Antigone’’ und ein Satyrespiel zu bringen, wurde sofort akzeptiert.
Vorschlag für Durchführung des Theateraustausches Köln-Bukarest findet sich auch bereits im rumänischen Entwurf für Zweijahresprogramm 75-76, der heute dem Kulturreferenten im Außenministerium übergeben wurde.
Entscheidung zu politisch und finanziell so weitreichenden Maßnahmen ist mit einer für rumänische Verhältnisse geradezu überraschende Schnelligkeit erfolgt. Botschaft ist, jedenfalls im kulturellen Bereich, Präzenezfall nicht bekannt. Vorgang läßt sich nur mit energischem Eingreifen von Frau Popovici erklären, die, unter Nutzbarmachung der hohen politischen Stellung ihres Ehemannes, die Entscheidung von zuständigen politischen Stellen bis herunter zu den ausführenden Organen, wie Außenministerium, in einer Par-Force-Tour durchgebracht hat. Er wirft zugleich ein Licht auf die gegenwärtigen Schwierigkeiten im rumänischen Theaterleben und die Rolle die bei deren Behebung dem Kölner Theater und Herrn Heyme zufallen kann. […]” (Kilian)
78. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95-ZA 124110_631-630 SE 0543/4 – Bühnen der Stadt Köln
Aus: Bukarest / Nr. 813 vom 1.10.1974 / An Bonn AA / betr: deutsch-rumänisches Tätigkeitsprogramm, hier: Theateraustausch Köln-Bukarest
„[…] Rumänisches Nationaltheater, das im vergangenen Jahr nach beträchtlichem finanziellem Aufwand mit drei Bühnen in einem Haus eröffnet worden ist, hat nennenswerte Produktion nicht herausgebracht. Der Spielplan wir mühsam mit Inszenierungen aus dem alten Haus aufrechterhalten. In den Richtungskämpfen ist kürzlich eine Entscheidung zugunsten der Traditionalisten gefallen. Die Regiearbeit David Esrigs an Shakespeares ‘Sturm’, in dem Frau Popovici die Hauptrolle spielen sollte, wurde jetzt nach 2-jähriger Dauer endgültig eingestellt. Esrig selbst ging nach Deutschland, wo er zunächst in Bremen eine Gastregie hat. Die an den anderen Theatern tätigen großen rumänischen Regisseure haben im vergangenen Jahr wenig, wie Liviu Ciulei, oder gar nicht inszeniert, wie Lucian Pintilie oder Penciulescu. In Rumänien gilt das Theater als der Raum, in dem man mehr oder weniger versteckt freie Meinung und Kritik äußern kann. Es hat dafür in der Vergangenheit mehrere Beispiele eindrucksvoller Inszenierungen gegeben, die zum Teil nach wenigen Aufführungen abgesetzt werden mussten. Die dadurch ausgelösten Richtungskämpfe haben jetzt fast zu einem Immobilismus geführt.
Einladung Kölner Theaters und vor allem Heymes zu Regiegastspiel muss bei Berücksichtigung der Stellung von Frau Popovici als Versuch gedeutet werden, dem Nationaltheater über alle Auseinandersetzungen hinweg neue Maßstäbe und Impulse zu geben. Es ist im Interesse unsrer Kulturpolitik zu begrüßen, dass dabei gerade jungem avantgardistischen deutschen Theater Mittlerrolle zugedacht ist. […]
Die Erklärung, die Herr Heyme nach seiner Rückkehr vor Presse abgeben wird, wurde mit der Botschaft abgestimmt. Dann wird er die Einladung der Kölner Bühnen nach Bukarest erwähnen und auf die Absicht hinweisen, ein rumänisches Theater zum Gegenbesuch nach Köln einzuladen. Das beabsichtigte Regiegastspiel wird er nicht erwähnen, um es nicht durch mögliche Querschüsse aus Ostberlin zu gefährden, wohin Herrn Heyme nach wie vor die Einreise verweigert wird.” (Kilian)
79. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95-ZA 124110_631-630 SE 0543/4 – Bühnen der Stadt Köln
7. Okt.1974 / Az: III-2 Hü-we
Herrn Generalintendant Dr. Claus Helmut Drese – Bühnen der Stadt Köln
„Sehr geehrter Herr Doktor Drese,
haben Sie besten Dank für Ihre Zeilen vom 3. Oktober 1974 mit der interessanten Nachricht über die Gespräche von Herrn Heyme in Bukarest.
In der Tat wäre das Goethe-Institut bei einem solchen Gastspiel für die organisatorische und finanzielle Abwicklung einzuschalten. Bis jetzt sind allerdings fast alle Gastspielangebote nach jahrelangen Verhandlungen immer wieder von rumänischer Seite abgesagt worden; vielleicht steht dieses Projekt unter einem besseren Stern. […]
Mit den besten Grüßen”
Dr. Karl-Ernst Hüdepohl (Goethe Institut München)
80. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95-ZA 124110_631-630 SE 0543/4 – Bühnen der Stadt Köln
Botschaft der BRD – Dr. Erwin Wickert / Bukarest, den 18. Oktober 1974
Herrn VLR I Dr. Walter Bammer – Auswärtiges Amt
„Lieber Herr Bammer!
Sie werden nach Ihrer Rückkehr aus dem Urlaub, der hoffentlich schön war, einen Drahtbericht der Botschaft Bukarest vom 1. Oktober 1974, Nr. 813, vorfinden, in dem Herr Dr. Steinkühler anbringt, in das deutsch-rumänische Kulturprogramm für das Jahr 1975 einen weiteren Gastspielaustausch einzusetzen, und zwar zwischen den Bühnen Köln und Bukarest. Das Kölner Gastspiel der ‘Jungfrau von Orléans’ in der Inszenierung von Heyme sollte bereits im Frühjahr in Bukarest stattfinden. […]
Herr Heymes Vorschlag ist zwar interessant, wir sollten jedoch alle Aspekte sorgfältig überprüfen und einen solchen zusätzlichen Gastspielaustausch nicht übers Knie brechen. […]
Hauptursache für mein Zögern ist, daß alle Besprechungen der Premiere die Spaltung des Kölner Publikums hervorhoben und berichteten, daß etwa 10 Minuten lang die Buh-Rufer und die Applaudierenden miteinander gewetteifert haben. Eine so radikal verschiedene Reaktion habe ich an den Bukarester Theatern bisher noch nicht erlebt und kann sie mir auch nicht ganz vorstellen; dennoch ist uns mit einem Theaterskandal milderer Form nicht gedient. Er würde sich zweifellos auf unsere gesamte Kulturarbeit auswirken. Das ist ein Gesichtspunkt, den Frau Popovici und ihre Mannen nicht im Auge haben: Inhen geht es vor allem darum, eine interessante westliche Inszenierung auf die Bukarester Bühne zu bringen und damit auch eine Unterstützung für die von ihnen selbst vertretene Richtung zu finden.
Mit freundlichen Grüßen”
Ihr Dr. Erwin Wickert (Botschafter der BRD in Rumänien)
81. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95-ZA 124110_631-630 SE 0543/4 – Bühnen der Stadt Köln
Der Botschafter, Bukarest, den 18. Oktober 1974
An den Intendanten der Bühnen der Stadt Köln, Herrn Hansgünther Heyme
„ Lieber Herr Heyme,
[…] Aus der vorzüglichen Besprechung von Hans Schwab-Felisch in der FAZ über die ‘Jungfrau’ sehe ich, daß das Kölner Publikum bei der Premiere sehr unterschiedlich reagiert hat. Mir scheint, daß Sie sich an ein sehr anspruchsvolles Publikum wenden. Das geht auch aus Ihren Bemerkungen zur ‘Jungfrau’ und Ihrer Textvorlage hervor, die ich teilweise gelesen habe und die mich sehr beeindruckt haben.
Ich habe mich gefragt, wie die ‘Jungfrau’ hier ankommen würde. Ganz klar bin ich mir noch immer nicht. Ich glaube sicher, daß die Intellektuellen, vor allem die Künstler, positiv reagieren würden – genau so wie Frau Popovici. Es kann auch sein, daß ein Teil des Publikums, den man nicht unbedingt zu den Intellektuellen rechnen kann, Ihre ‘Jungfrau’ mit Beifall, (wenn sie frei ist von den Maniriertheiten des bei uns gerade modernen Spiels) aufnimmt, weil das hiesige Publikum, im Unterschied zum deutschen, kein festgelegtes, überliefertes Bild von der ‘Jungfrau’ und ihrer Aufführungsmöglichkeit hat.
Trotzdem sollten wir auch in Betracht ziehen, daß Ihre Aufführung bei den für die rumänische Kulturpolitik verantwortlichen Funktionären auf Mißbilligung treffen kann. Wir haben Beispiele dafür, und Frau Popovici wird Ihnen von dem Schicksal der Inszenierung des ‘Sturms’, des ‘Revisors’ und anderen Produktionen erzählt haben. Ein gewisses Risiko werden
wir zwar immer in Kauf nehmen müssen; und ungeteilten Beifall bei den Kulturfunktionären würde eine Aufführung, die wir als wertvoll und gewichtig ansehen, kaum erhalten. Frau Popovicis Befürwortung der ‘Jungfrau’ ist zwar schon eine gewisse Garantie; dennoch möchte ich mich gerne noch weiter absichern, denn sie selbst ist Partei, und von den Richtungskämpfen und Rivalitäten in der rumänischen Theaterwelt wird sie auch Ihnen erzählt haben. Aber es würde zu weit führen, dies alles hier in Detail zu erörtern. […]”
Ihr gez. Wickert (Dr. Erwin Wickert – Botschafter der BRD in Rumänien)
82. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95-ZA 124110_631-630 SE 0543/4 – Bühnen der Stadt Köln
BKU 630 SE 234, Ber. Nr. 672/75 / AZ: 630-SE 0542/4
Botschaft der BRD – Bukarest, den 17. Juni 1975 / Betr.: “Woche der Bundesrepublik Deutschland”/ hier: Gastspiel der Städtischen Bühnen Köln mit Schillers “Jungfrau von Orleans”
„Zur Information
Innerhalb der ‘Woche der Bundesrepublik Deutschland gastierten die Städtischen Bühnen Köln mit Schillers ‘Jungfrau von Orleans’ in der Inszenierung von Hansgünther Heyme am 22. und 23.Mai im Nationaltheather in Bukarest und am 25.Mai im Deutschen Staatstheater in Hermannstadt (Sibiu). […]
Die drei Vorstellungen sowohl in Bukarest als auch in Hermannstadt waren voll ausverkauft. Die Erfahrungen insbesondere des Bukarester Gastspiels zeigen, daß immerhin ein Publikum für zwei aufeinanderfolgende deutschsprachige Theaterabende besteht. Zur Premiere waren neben dem Vizepräsidenten des Rates für Kultur und Sozialistische Erziehung, Professor Ion Dodu Balan, zahlreiche Theaterleute, Kritiker, Germanisten, Künstler erschienen. […]
Das Heyme-Gastspiel war ein voller Erfolg. Indiz dafür ist nicht zuletzt die Tatsache, daß Tages- und Fachpresse in aller Breite und mit der Bereitschaft zu unterschiedlicher Wertung auf das Gastspiel eingingen. Das RKP-Zentralorgan ‘Scînteia’ bezeichnet das Ensemble als ein Theater mit ‘aufgeschlossener politischer Haltung’. Heyme selbst ist für das Blatt ein ‘Virtuose des Ausdrucks’ Das Organ der Front der Sozialistischen Einheit ‘Romania Libera’ bezeichnet ihn als eine ‘Persönlichkeit mit großen Aussichten in der westdeutschen Theaterwelt’. […]” gez. Wickert (Botschafter der BRD in Rumänien)
83. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95-ZA 124110_631-630 SE 0543/4 – Bühnen der Stadt Köln
BKU 630 SE 234, Ber. Nr. 672/75. / AZ: 630-SE 0542/4
Botschaft der BRD – Bukarest, den 17. Juni 1975 / Betr.: “Woche der Bundesrepublik Deutschland” / hier: Gastspiel der Städtischen Bühnen Köln mit Schillers “Jungfrau von Orleans”
„[…] Was die Inszenierung des Stückes anbetrifft, so gingen die Meinungen freilich auseinander. Während ‘Scînteia’ ihr ein ‘Gefühl tiefer Achtung vor dem Autor’ bescheinigte, heißt es in der deutschsprachigen Hermannstädter Wochenzeitschrift ‘Die Woche’: ‘Denn Schillers Text ist eines, was aber auf der Bühne gezeigt wurde, war – wenn auch nicht textlich – etwas anderes.’ Das Stück sei ‘gegen den Strich inszeniert’, die Gesamtleistung aber über jede Kritik erhaben.’ Günstiger urteilt die in Kronstadt erscheinende Wochenzeitschrift ‘Karpaten-Rundschau’ wenn sie schreibt ‘…und erst durch die Verfremdung der unnatürlichen Sprache, eine doppelte Verfremdung also, konnte der gewünschte Effekt, Glaubwürdigkeit des Gesagten und Gemeinten, erzielt werden… Doch zeichnete sich die ganze Aufführung durch Perfektion aus.’
Sehr ausgewogen urteilte die Bukarester deutschsprachige Tageszeitung ‘Neuer Weg’: ‘Wenige Minuten nach Beginn der Vorstellung war man schockiert, irritiert, bestürzt… Ein Denkmal sollte geschändet werden, dachte mancher Zuschauer und man muß hilflos zusehen… Einige verließen sogar den Saal.. Doch die Darstellung hatte etwas so Zwingendes, daß man nach der Vorstellung zu seiner Verwunderung fast wider Willen davon überzeugt war, daß Schiller, daß dieses Stück heutzutage so und nur so zu spielen sei.’
Ähnlich äußert sich die schon zitierte ‘România Libera’: ‘Die Vorstellung ist bemerkenswert durch ihre Einfachheit und Genauigkeit, durch ihren manchmal geistlichen, manchmal triebhaften, jedoch stets echten Lyrismus, der zwar nicht immer notwendigen, aber stets gezügelten Kühnheiten.’ […]” gez. Wickert (Botschafter der BRD in Rumänien)
84. Quelle: Arcanum
Artikel von Florian Potra in der Zeitschrift „Teatrul / Das Theater“, Nr. 6, Juni 1975, S. 37
„Bereits im Prolog und vielleicht sogar schon zuvor, mit der Beleuchtung des sparsamen, auf das Wesentliche reduzierten Bühnenbilds, bestehend aus einer verlängerten schrägen Ebene, auf der sich die Statue der Jungfrau Maria befindet, flankiert von brennenden Kerzenleuchtern und sechs harmonisch aufeinander abgestimmten Glocken – wurde deutlich, dass der Regisseur Hansgünther Heyme nur sehr wenig Interesse an der blassen ‘historischen Wahrheit’ hat, die hier und da in Schillers ‘romantischer Tragödie“ aufblitzt. […] Hansgünther Heyme liest Schillers Text natürlich mit einer zeitgenössischen Mentalität neu, in der – entsprechend dem in der westlichen Zivilisation noch vorherrschenden Geschmack – die Dreifaltigkeit Neurose-Sex-Religion nicht fehlen darf. […]
Heymes Intervention beschränkt sich jedoch nicht nur auf eine psychoanalytische, freudianische Herangehensweise. Die Originalität der Vision des Kölner Regisseurs liegt meiner Meinung nach vielmehr in einem Eklektizismus, der eine besondere, sui generis Antwort auf das Bedürfnis (sofern es noch besteht) nach einem Gesamtkunstwerk zu geben scheint: Die Jungfrau von Orleans scheint Heyme eine gute Gelegenheit zu bieten, nicht so sehr die Möglichkeit der Verschmelzung mehrerer Künste zu einem einzigen Ausdrucksbild zu demonstrieren, sondern – ein bescheideneres, aber gerade deshalb leichter zu verwirklichendes Ziel – die Möglichkeit der Verschmelzung der wichtigsten ‘Methoden’, ‘Richtungen’ und ‘Stile’ der Regie des Jahrhunderts: von den Intuitionen Appias und Craigs über den Expressionismus (der jedoch fast immer präsent ist) bis hin zum Stanislavskis ‘Wiedererleben’, vom ‘Aktivismus’ Piscators, dessen Schüler Heyme war, über Brecht bis hin zu Grotowski und Brook, ohne dabei die Einflüsse des Happenings oder die allegorischen Effekte der Collage zu vergessen. […]
Heyme, Barbara Nüsse und ihre Bühnenkollegen bieten mit dieser Variante der Jungfrau von Orleans eine bewundernswerte Lektion darüber, wie ein homogenes und leidenschaftliches Theaterteam, das auf höchstem Niveau, die schön mit Kamille oder Muskatblüte gepflasterten Wege der triumphierenden Kulturindustrie überschreiten und mit Emotionen in die raue alpine Wildnis der Kunst vordringen kann. Wir wussten nicht, dass es in Köln ein so gutes Theater gibt. Jetzt wissen wir es. Bravo!”
85. Quelle: Arcanum
Artikel von Radu Popescu in der Zeitung „România liberă“, Seite 2 – 31. Mai 1975
„Im Rahmen einer ‘Woche der Bundesrepublik Deutschland’ mit verschiedenen kulturellen und künstlerischen Veranstaltungen hatten wir die Gelegenheit, ein Theaterensemble aus diesem Land zu empfangen, wo übrigens schon mehrfach unsere Theater gastiert haben. Das Stadttheater Köln ist in der heutigen Zeit weniger bekannt als die Oper desselben Stadt, befindet sich jedoch – nach den Informationen, die wir einholen konnten – in einem stetigen Aufstieg, wozu seit einigen Jahren die Persönlichkeit des Intendanten und Regisseurs Hansgünther Heyme, einer Persönlichkeit mit großer Zukunft in der westdeutschen Theaterkunst, wesentlich beigetragen haben soll. So hastig und summarisch unsere Informationen auch sein mögen, sie scheinen glaubwürdig, wenn man nach dem urteilt, was wir von der Arbeit und dem Wert des Kölner Theaters erkennen konnten, anlässlich der einzigen Gelegenheit die wir dabei hatten, nämlich der Aufführung von Friedrich Schillers Tragödie ‘Die Jungfrau von Orleans’. […]
Die Aufführung fiel uns als Konvergenz aller regie-theoretischen Strömungen und Tendenzen unserer Zeit und sogar älterer auf. Und das hätte auch nicht anders sein können, da der Regisseur selbst als ein Sammelbecken und ein Echo all dieser Strömungen zu sein schien. Dadurch dass er sie mit großer Präzision ausbalancierte und sie zu einer organischen Synthese, zu einem lebendigen Bild geordnet hat – und das ist ein großes Verdienst –, ist die Inszenierung bemerkenswert durch ihre Einfachheit, ihre Akribie, durch eine mal hieratische, mal viszerale, aber immer authentische Lyrik, durch ihre Kühnheiten, die nicht immer notwendig, aber immer gut abgestimmt sind. […]“
86. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95-ZA 124110_631-630 SE 0543/4 – Bühnen der Stadt Köln
BKU 630 SE 234, Ber. Nr. 672/75 / AZ: 630-SE 0542/4
Botschaft der BRD – Bukarest, den 17. Juni 1975 / Betr.: “Woche der Bundesrepublik Deutschland” / hier: Gastspiel der Städtischen Bühnen Köln mit Schillers “Jungfrau von Orleans”
„[…]Noch während die zweite Vorstellung im Nationaltheater lief, verhandelte Herr Heyme über einen Regisseuraustausch Köln/Bukarest.
Dabei kam es bereits zu einer grundsätzlichen Absprache, wonach Herr Heyme im Sommer 1976 in Bukarest Sophokles “Antigone” oder Schillers “Wallenstein” und der Regisseur des Nationaltheaters, Horia Popescu, 1977 ein noch zu bestimmendes Stück in Köln inszenieren wird. Der ‘Neue Weg’ schrieb dieses Vorhaben auch sogleich fest. ‘Hansgünther Heyme, umstrittener Regisseur, Theaterpersönlichkeit mit ausgeprägtem Sinn für die Form, soll in der kommenden Spielzeit am Bukarester Nationaltheater ein Stück inszenieren. Das Bukarester Theaterleben wird, wie man so schön zu sagen pflegt, durch diese Aufführung bereichert werden’.” gez. Wickert (Botschafter der BRD in Rumänien)
87. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95-ZA 124110_631-630 SE 0543/4 – Bühnen der Stadt Köln
Botschaft der BRD – Bukarest, den 30. September 1975 / Betr. Regisseur-Austausch Köln-Bukarest / Bezug: Bericht Nr. 672 vom 17.6.1975 – Ku 630.SE 234
„Lieber Herr Bammer
unser Kulturreferent, Herr Dr. Lang, erfuhr am 23. Sept. 1975 von der zuständigen rumänischen Stelle, daß Herr Heyme bereits ein Regiebuch an seinen Tauschpartner, Herrn Horea Popescu, Regisseur des Bukarester Nationaltheaters, übersandt hat und daß sich z.Zt. kompetente Prüfer über diese Entwürfe beugen, jedoch noch zu keinem abschließenden Urteil gelangt sind. Bei diesem Regiebuch handelt es sich um die Heyme’sche Bearbeitung von Schillers ‘Wallenstein’. […]
Herr Dr. Lang gewann bei diesem Gespräch den Eindruck, daß man auf rumänischer Seite Bedenken angesichts der Regie-Vorstellungen von Herrn Heyme bekommen hat: Hinweise wie der, daß man bei Inszenierungen immer die gedeihlichen beiderseitigen Kulturbeziehungen im Auge behalten müsse – denen durch allzu eklatante Eigenwilligkeit nicht gedient sei und daß man sich unter Umständen die Anregung anderer als der von Herrn Heyme bisher vorgeschlagenen Stücke vorbehalte, legen diesen Schluß nahe. Ich könnte mir denken, daß auch die Themen des ‘Wallenstein’ hier bedenklich stimmen und daß man weniger problematische Stücke wünscht. […]”
88. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95 REF Band 1565 – Gastspiele nach Rumänien Verschiedenes
Handelsvertretung der BRD Bukarest – 16. Mai 1966 / Ber. Nr. 304/66 – An das Auswärtige Amt Bonn / Betr.: Künstleraustausch auf kommerzieller Basis / Hier: Gastspiel Wilhelm Kemff
„Wilhelm Kempff war vom 11. bis 16. Mai 1966 auf Einladung der hiesigen Konzertdirektion in Bukarest. Er gab drei Konzerte, und zwar einen Soloabend sowie zwei Konzerte mit der Philharmonie, bei denen er die fünf Klavierkonzerte von Beethoven spielte.[…]
Die Konzerte wurden in dem räumlich viel zu kleinen Atheneum gegeben, weil der einzige zur Verfügung stehende große Saal anderweitig besetzt war. Die Anteilnahme des Publikums übertraf alle Erwartungen. Komponisten, Dirigenten und andere Musikbegeisterten standen zusätzlich in den Gängen des Konzertsaales, weil die Konzerte im Rahmen der gewöhnlichen Abonnementreihe gegeben wurden. Die Beifallskundgebungen steigerten sich, insbesondere am Schluss des letzten Konzertes, zu regelrechten Ovationen.
Dieses Gastspiel hat erwiesen, dass Darbietungen von Künstlern mit einem solchen Rufe, wie ihn Wilhelm Kempff besitzt, in ihrer Wirkung gar nicht zu überschätzen sind. Wir können uns keine besseren Vertreter unseres Landes wünschen, wenn wir das Bild von dem Wirtschaftswunder-Deutschland ergänzen und zeigen wollen, dass wir nach wie vor auch eine Kulturnation sind.” gez. York
89. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95 REF Band 1565 – Gastspiele nach Rumänien Verschiedenes
Botschaft der BRD – Bukarest, den 5. Mai 1970 / Ber. Nr. 583/70 / Betr.: Gastspiel des “Theaters der Freundschaft”, Berlin (Ost) in Rumänien
„[…] Mit dem ‘Theater der Freundschaft’ hat nunmehr nach dem erfolgreichen Gastspiel des Weimarer Nationaltheaters im Laufe eines halben Jahres ein zweites Theater aus der ‘DDR’ Rumänien besucht. Zuvor war bereits das ‘Berliner Ensemble’ und das Wiener Burgtheater hier.
Es wird nun wirklich höchste Zeit, daß auch wir das seit mehreren Jahren erwartete Theatergastspiel aus der Bundesrepublik Deutschland verwirklichen.”
90. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95 REF Band 1565 – Gastspiele nach Rumänien Verschiedenes
Botschaft der BRD – Bukarest, 9. April 1969 / Ber. Nr. 446/69 / Betr.: Ausländische Gastspiele / hier: Burgtheater Wien
„Das Burgtheater gastierte in der ersten Märzhälfte mit Schillers ‘Parasit’ und Nestroys ‘Der Unbedeutende’ in Rumänien. Es hatte drei Vorstellungen in Bukarest und eine in Kronstadt (Braşov) vorgesehen.
Der Andrang war jedoch so groß, daß die Karten bereits einen Tag nach Kasseneröffnung vollständig vergriffen waren und das Ensemble sowohl in Bukarest wie in Kronstadt noch eine zusätzliche Nachmittagsvorstellung einlegen mußte.
Die Wahl der Stücke stieß zunächst bei allen Interessenten auf ein gewisses Befremden. Die Darbietungen selber zeigten jedoch eindeutig, daß die Österreicher sich genau überlegt hatten, was sie tun wollten. Die Besetzung des ‘Parasit’ mit Boy Gobert in der Hauptrolle bot ein solches Kabinettstück von Regie und vor allem Schauspielkunst, daß man sich keine eindrucksvollere Vorstellung hätte denken können. Nestroy dagegen brachte die unverwechselbare Wiener Atmosphäre auf die Bühne und stellte dem Publikum damit Österreich und den Österreicher vor. […]
Der Beifall, vor allem für den ‘Parasiten’ war außerordentlich groß.
Das Gastspiel der Österreicher zeigt nach Auffassung der Botschaft erneut zweierlei:
1) Für die am Theater interessierten Rumänen ist es in erster Linie interessant, von ausländischen Ensembles zu erfahren, wie sie heute Theater machen. Traditionelle Aufführungen haben nur dann einen durchschlagenden Erfolg, wenn sie – wie der “Parasit” in überdurchschnittlicher Besetzung gebracht werden. Sonst erkennt man die Leistung an, verlangt aber nach anderem, wie im Falle des “Unbedeutenden”.
2) Der Hunger gerade des deutsch sprechenden und deutsch verstehenden Publikums nach kulturellen Darbietungen aus unseren Ländern kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Selbstverständlich trägt dazu in großem Maße die deutschsprachige Minderheit bei, aber durchaus nicht nur sie. […]”
91. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95 REF Band 1565 – Gastspiele nach Rumänien Verschiedenes
Betr. Gastspiel der Münchener Kammerspiele in Rumänien
„Die Münchener Kammerspiele haben am 31. Januar und 1. Februar in Bukarest sowie am 3. und 4. Februar in Kronstadt ein erfolgreiches Gastspiel mit Dürrenmatts ‘Play Strindberg’ gegeben.
In beiden Städten waren die Theaterplätze schon mehr als eine Woche vor den Vorstellungen restlos ausverkauft. Viele, die leer ausgegangen waren, drängten kurz vor Beginn der Vorstellung in die Zuschauerräume und nahmen in den Gängen Platz.
In Bukarest erschienen nicht nur Angehörige der deutschen Minderheit, sondern auch zahlreiche rumänische Schauspieler, Regisseure und Theaterfreunde zu den Vorstellungen. Die Aufführungen gewannen insofern ein besonderes Interesse, als der auch in Deutschland bekannte rumänische Regisseur Liviu Ciulei ‘Play Strindberg’ in einer eigenen Inszenierung für Ende Februar vorbereitete. Der Beifall war in Bukarest vor allem am zweiten Tage groß, an dem viele sachverständige rumänische Kollegen unter den Zuschauern waren. Für Kronstadt bedeutete das Gastspiel ein außergewöhnliches Ereignis, auf das andere Städte wie Hermannstadt, Klausenburg, Jassy und Temesvar mit deutlichem Neid blickten. Der Direktor des rumänischen Nationaltheaters Klausenburg, Vlad Mugur, war besonders enttäuscht, daß es ihm trotz intensiver Bemühungen nicht gelang, eine Ausdehnung der Gastspielreise bis in seine Stadt zustande zubringen.
Kritische Bemerkungen in den Pressekommentaren richteten sich ausschließlich gegen Dürrenmatt. Über das Ensemble, über die Konzeption der Regie und auch über das Bühnenbild war die Kritik voll des Lobes. […]
Der außerordentlich gute Erfolg dieses nach mehrjährigen vergeblichen Bemühungen nun endlich zustande gekommenen Gastspiels hat uns gezeigt, wie sehr deutsche Bühnen in dem theaterliebenden Rumänien willkommen sind. Bei dem Gastspiel wurde auch wieder einmal offenbar, wie viele Rumänen über hervorragende deutsche Sprachkenntnisse verfügen. […]” gez. Strätling
92. E-mail erhalten Wolfgang Wittstock infolge des mit dem Projekt verbundenen Aufrufs über die Kanäle Goethe-Instituts (März-April 2024)
„Meine Name ist Wolfgang Wittstock. Ich bin Rentner, 76 Jahre alt, und lebe in Kronstadt/Brașov. In den Jahren 1983-1986 war ich Dramaturg (secretar literar) an der deutschen Abteilung des Staatstheaters Hermannstadt/Sibiu. Eine Gruppe junger Schauspielerinnen und Schauspieler, die damals unserem Ensemble angehörten, äußerte etwa Ende des Jahres 1983 oder zu Beginn des Jahres 1984 den Wunsch, zusätzlich zu dem von den zuständigen Behörden bereits bewilligten Spielplan in eigener Regie die Tragödie in einem Akt ‘Elektra’ von Gerhart Hauptmann (das dritte Stück von Hauptmanns Atriden-Tetralogie) aufzuführen. Voraussetzung dafür, die behördliche Genehmigung für die Ergänzung des Spielplans mit diesem Stück zu erhalten, war, dass für die Vorstellungen keine Urheberrechte (drepturi de autor) in Valuta zu zahlen sind. Seit Gerhart Hauptmanns Tod (gestorben 1946) waren noch keine 70 Jahre vergangen, also wären für die Vorstellungen mit ‘Elektra’ Tantiemen fällig gewesen. In dieser Situation wandte ich mich in meiner Eigenschaft als Dramaturg des deutschen Bühnenensembles mit der Bitte an das Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest (das nachmalige Goethe-Institut Bukarest, das damals aber noch nicht so hieß), die Kosten für die Aufführungsrechte zu übernehmen. Das Kulturinstitut reagierte zustimmend, worauf die Arbeit an der Inszenierung des Einakters ‘Elektra’ in Angriff genommen werden konnte. Die Premiere fand am 28. März 1984 in Hermannstadt/Sibiu statt. Es gab mit diesem Stück mehrere Vorstellungen in Hermannstadt/Sibiu sowie Ausfahrten nach Agnetheln/Agnita, Mediasch/Mediaș und Schäßburg/Sighișoara. Auf Einladung des Kulturinstituts der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest wurde ‘Elektra’ am 7. Mai 1984 auch in Bukarest, im Gebäude des Kulturinstituts, aufgeführt. In den Theater-Evidenzen wurde vermerkt, dass diese Vorstellung in Bukarest von 165 Zuschauern besucht wurde. Im Anschluss an die Vorstellung gab das Kulturinstitut zu Ehren des Hermannstädter Ensembles einen Empfang, bei dem auch die Botschafter der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich in Bukarest anwesend waren. Für die jungen Schauspieler des Hermannstädter Ensembles war diese Vorstellung im BRD- Kulturinstitut in Bukarest ein ganz besonderes Erlebnis.
[…] Das Programmheft für diese Aufführung wurde auf dem theatereigenen Kopierer (die Spende eines dem Theater nahestehenden privaten Förderers aus Westdeutschland) vervielfältigt. Ceaușescu hatte zu Beginn des Jahes 1984 das Konzept der Selbstfinanzierung der Kultur verkündet. Es gab in der Theaterkasse kein Geld, um Programmhefte in der Druckerei drucken zu lassen.
[…] In meinen Unterlagen fand ich u.a. den Hinweis, dass in der Zeitschrift ‘Teatrul’ nr. 6/1984, Seite 52-54, eine Rezension aus der Feder von Ileana Berlogea zu ‘Elektra’erschienen ist. Vermutlich hatte sie sich die Vorstellung in Bukarest angeschaut.”
93. E-mail erhalten von Peter Betsy (Augsburg) infolge des mit dem Projekt verbundenen Aufrufs über die Kanäle des Goethe-Instituts Bukarest (März-April 2024)
„Als Deutschlehrer in Rumänien hatte ich das Glück im Jahre 1974 an einer internen Deutschlehrerfortbildung (Deutsch als Fremdsprache) in Kronstadt teilzunehmen. […] Bei der von der Deutschen Botschaft aus Bukarest organisierten und unterstützten Abendgala hat uns der anwesende damalige Deutsche Botschafter Herr Erwin Wickert geraten, uns mit großem Vertrauen um Hilfe Lehrmittel an das Goethe-Institut zu wenden.
Trotz Risiko einer möglichen unbekannten Überwachung durch die Securitate und in Zeiten der Zensur nahm ich diese so notwendige Hilfe mit großer Freude an und habe bei jedem Besuch in Bukarest die Gelegenheit genutzt um die reichhaltige Bibliothek oder die Angebote der Kulturveranstaltungen des Goethe-Instituts zu besuchen (redaktionelle Anmerkung: das Goethe-Institut wurde in Bukarest 1979, unter der Benennung ‘Kulturinstitut der BRD‘, eröffnet). Es war für mich die einzige Gelegenheit eine ‘Kulturbrücke’ zwischen Rumänien und Deutschland aufzubauen und gleichzeitig zu erfahren was sich außerhalb der ‘Eisernen Mauer’ abspielt.
Im Institut wurde ich von den Mitarbeitern immer mit viel Freundlichkeit und offenen Armen empfangen, hatten interessante Gespräche mit ihnen und erhielt immer ein reiches Bücherpäckchen. Es wurden mir auch gute Tipps und Ratschläge gegeben, mich für weitere um Lehrmittelhilfe an Inter Nationes, dass zuständig für den Vertrieb von Informationsmaterial über deutsches Kulturgut im Ausland ist, zu wenden. So bereicherte ich durch Zusendung von nützlichem Büchern und CD´s die Lehrmittelbibliothek.
Durch Übermittlung des geschätzten Goethe-Instituts erhielt ich dann im Jahre 1980 die Chance eine Einladung zu erhalten an der VI Internationalen Deutschlehrertagung in Nürnberg teilzunehmen und hatte auch das große Glück als Mitglied des Internationalen Deutschlehrerverbandes Rumänien bei der Tagung zu vertreten. […]
Der große Dank, die tief eingewurzelten nostalgischen Erinnerungen an die schön verbrachten Glücksmomente im Goethe-Institut in Bukarest bleiben in meinen Gedanken.”
94. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 96-EA Band 873 630-641.10 – Eröffnung des Kulturinsituts in Bukarest
Betr.: Eröffnung von Bibliotheken in Bukarest und München
„Rumänien ist der erste Staat des Warschauer Pakts, mit dem der Austausch von Kulturinstituten unter der Bezeichnung ‘Bibliotheken’ vereinbart wurde (Grundlage: Deutsch-rumänisches Bibliotheksabkommen vom 29. 6. 1973 und die dazugehörige Vereinbarung über die Besitzüberlassung von Gebäuden vom 15. 6. 1978).
Die deutsche Seite wird das Institut in Bukarest vom Goethe-Institut betreiben lassen, das als solches allerdings nach außen nicht in Erscheinung tritt. Die Einrichtung wird den Namen tragen: Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland.
Nach der Eröffnung zweier Informationszentren in Jugoslawien (Zagreb und Belgrad), die gleichfalls vom Goethe-Institut betrieben werden, erhoffen wir uns von der Eröffnung in Bukarest eine gewisse Signalwirkung auf andere Ostblockstaaten (vorzugsweise Polen).
Die Rumänen haben München als Standort ihres Instituts gewählt. Die Bundesregierung hat in zentraler Lage ein Geschäftshaus gekauft und stellt Rumänien darin 5 Stockwerke zur Verfügung. Die Umbauarbeiten sind abgeschlossen. Wir haben in Bukarest ein repräsentatives älteres Gebäude zur Verfügung gestellt bekommen. Nach der Bibliotheksvereinbarung sollen die beiden Institute möglichst gleichzeitig eröffnet werden. Nachdem der Übergabetermin rumänischerseits wegen des schleppenden Umbaufortgangs mehrmals verschoben wurde, ist das Institutsgebäude am 27. August 1979 von einem Vertreter der Bundesbaudirektion technisch abgenommen worden. Einige Arbeiten (Außenanstrich und Fertigstellung des Hofes) müssen noch erfolgen.
Am 14. Juni 1979 hatte Vizeaußenminister Gliga anläßlich seines Deutschlandbesuchs das künftige rumänische Institut in München besucht. Es ist unsererseits baulich fertiggestellt und steht der rumänischen Seite zur Verfügung. […]”
95. Quelle: Peter Ulrich Weiß, „Kulturarbeit als diplomatischer Zankapfel. Die kulturellen Auslandsbeziehungen im Dreiecksverhältnis der beiden deutschen Staaten und Rumäniens von 1950 bis 1972“, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, Südosteuropäische Arbeiten, Band 139, München 2010, S. 271
„[…] In der zweiten Verhandlungsrunde vom 10. bis 13. Juli 1972 wurden weitere inhaltlich-strukturelle Fortschritte gemacht. […] Obwohl während der ersten verhandlungsrunde prinzipielles Einverständnis über die Integration West-Berlins in den Kulturaustausch geäußert worden war, weigerte sich die rumänische Delegation weiterhin, dazu auch nur irgendein schriftliches bundesdeutsches Angebot zu akzeptieren oder eigene Vorschläge zu unterbreiten. […] Ungelöst blieb auch die Namensdiskussion. So akzeptierte Bonn nicht die offizielle, am ostdeutschen Sprachgebrauch orientierte rumänische Übersetzung von „Bundesrepublik Deutschland“ für die Bezeichnung der Bibliothek, die eine Genitivsetzung des Wortes ‚Deutschland‘ (‚Republica Federală a Germaniei‘) beinhaltete und soviel wie ‚Bundesrepublik Deutschlands‘ bedeutete. Die rumänische Seite lehnte dagegen ab, zwei unterschiedliche Bezeichnungen im Abkommen zu verwenden und verwies auf die übliche Norm, Namenschilder oder Briefköpfe in der Sprache des Gastlandes zu verfassen. Da keine Einigung erzielt werden konnte, wurden beide Punkte erneut auf die nächste Verhandlungsrunde vertragt. […]”
96. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B96 Band 1346 630-641.10/3 RUM Bibliotheksaustausch mit Rumänien
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten / Nr. 7/4023
„Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Sozialistischen Republik Rumänien begrüßt die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest und beehrt sich, hinsichtlich der dortigen Verbalnote Nr.1785 vom 10. Juli d.J. bezüglich des Vorschlages über die Benennung der rumänischen Bibliothek in München und der Bibliothek der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest mitzuteilen, daß die rumänische Seite mit folgender Benennung beider Institutionen einverstanden ist:
in München: ‘Casa de Cultură a Republicii Socialiste România’ / ‘Kulturinstitut der Sozialistischen Republik Rumänien’
in Bukarest: ‘Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland’ / ‘Casa de Cultură a Republicii Federale Germania’ […]
Bukarest, den 24. Juli 1979”
97. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 97 EA Band 239 – Kulturpolitische Jahresberichte aus Bukarest Rumänien 1971-1972
Ber.Nr. 469/72 – Betr.: Kulturpolitischer Jahresbericht 1971
„Teil I: Die allgemeine kulturpolitische Situation Rumäniens
Die in den früheren Jahresberichten geschilderte labile politische Grundsituation zwischen Lockerung und Disziplinierung bestand in Rumänien auch 1971 fort. Die bereits im Jahresbericht 1970 erwähnten Zeichen einer innenpolitischen Verhärtung vervielfachten sich Mitte 1971 mit den von Ceausescu verkündeten ‘17 Punkten’. Das Pendel schlug eindeutig in die Richtung vermehrter Kontrollen und Beschränkungen in allen Lebensbereichen einschließlich der Kultur um. Bei dieser sogenannten ‘Kulturrevolution’, die sich nicht als kurzfristige Kampagne verstanden wissen will, handelt es sich in Wahrheit um einen großangelegten Versuch der ideologischen Durchdringung des gesamten Lebens, um das Bemühen, mit der Schaffung des utopischen ‘neuen Menschen’ wirklich Ernst zu machen. Die Rumänen sollen vor der ‘geistigen Umweltverschmutzung’, gegen das Eindringen verderblicher, gefährlicher Ideen und Gewohnheiten aus dem Westen beschützt werden. Daraus ergibt sich für uns die Frage, welche Auswirkungen der neue Kurs auf die bilateralen Kulturbeziehungen gebracht hat und noch haben wird. […]”
98. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 97-EA Band 126 – Kulturpolitik Deutschlands zu Rumänien und umgekehrt
Ber.Nr. 208/66 – Betr: “Der Fall Oppenheimer” von Heinar Kipphardt in Bukarest
„Nach den Artikeln über Peter Weiss beschäftigt man sich jetzt mit H. Kipphardt und seinem Stück. Von Weiss soll in nächster Zeit der ‘Marat’ in Bukarest inszeniert werden. ‘Der Fall Oppenheimer’ ist gerade im Theater ‘Lucia Sturdza Bulandra’ herausgekommen.
Der Rezensent der ‘Romania libera’ verweist darauf, dass das Stück dem sogenannten ‘Dokumentartheater’ zugehöre, das in letzter Zeit vor allem in Deutschland entwickelt worden sei. Es handele sich eigentlich nicht um Theater, sondern um die Dramatisierung historischer Dokumente. Das bedeute eine künstlerische Begrenzung, weil die Imagination des Dichters nicht über die Tatsachen hinausgehen dürfe. Gerade heute erfülle das Theater mit der Darbietung solcher Stücke jedoch eine wichtige Aufgabe und der Dichter beweise durch die Beschäftigung mit solchen Stoffen eine ‘vornehme Aufrichtigkeit’.
Kipphardts Stück wird von den Rezensenten gelobt, nicht ohne dass er darauf verweist, es ‘enthülle, wie der Monopolismus und Imperialismus die Wissenschaft in eine erniedrigende Abhängigkeit bringe und das Genie terrorisiere, um es ohne Skrupel einzig und allein für ihre auf die Bedrohung und Unterjochung anderer Völker gerichteten Ziele zu gebrauchen’. Ausserdem wird noch die Kommunistenjagd durch MacCarthy erwähnt. […]
Im ‘Neuen Weg’ ist die Besprechung insofern noch günstiger, als nur auf das wesentliche Gewissensproblem hingewiesen wird, jedoch Bemerkungen über Imperialismus u.ä. unterbleiben.
Die Rezensentin findet es bemerkenswert, daß die Bukarester Bühnen bereits zwei Jahre nach seinem Erscheinen Kipphardts Stück übernehmen. Das Publikum habe sich an diese Art von Theater schnell gewöhnt. Die Vorstellungen seien ständig ausverkauft.
Beide Besprechungen betonen die gute szenische Lösung. Dagegen meint die Rezensentin des ‘Neuen Weges’, daß Regisseur und Schauspieler wohl noch nicht genügend mit solchen Stücken vertraut seien. Die beabsichtigte Klarheit werde bisweilen emotionell überwuchert. ‘Dass man der Aufführung dennoch mit angespanntester Aufmerksamkeit folgt, ist auf die glänzenden Qualitäten des Textes zurückzuführen.’
Es ist in der Tat auffallend, wie rasch seit der beginnenden Lockerung vor ein bis zwei Jahren der Spielplan der rumänischen Bühnen ein modernes Gesicht angenommen hat. Die Qualität der Aufführungen ist überdies durchweg recht gut.” gez. York
99. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 97-EA Band 188 – Kulturpolitische Jahresberichte Bukarest
Ber.Nr. 269/66 – Betr.: Kulturpolitischer Jahresbericht 1965
„[…] Aus der Haltung der Rumänen muß man folgern, daß bei ihnen das Interesse an wissenschaftlichen und kulturellen Kontakten größer ist als die Sorge vor einer Beeinflussung. Allerdings ist klar, daß sie diese Kontakte weniger aus Interesse an den Kulturleistungen des Partners als vielmehr deswegen und überall dort wünschen, wo sie sich davon den größten Nutzen versprechen. Das wird in ihrem Verhalten wie auch in den Vorschlägen zum Kulturabkommen deutlich und läßt sich folgendermaßen umschreiben:
Man möchte soviel Wissenschaftler wie möglich nach Deutschland schicken und sich alles erreichbare Material verschaffen (‘Dokumentation’). Verbindungen in den geisteswissen- schaftlichen Fächern, soweit sie nicht das Land auf besondere Weise betreffen oder soweit dabei nicht Qualitäten der eigenen Forschung oder eigener Wissenschaftler in den Vordergrund treten können, sind nicht so interessant.
In der Kunst möchte man die besten Arbeiten des Auslands und die hervorragendsten Künstler bei sich sehen, ohne viel Devisen dafür aufwenden zu müssen. Rumänische Kunst, die im Ausland gezeigt wird, und Künstler, die Tourneen unternehmen dürfen, sollen Devisen einbringen und von der kulturellen Bedeutung des Landes zeugen. Der zweite Punkt steht jedoch noch im Hintergrund. […]
In der Kunst macht sich das Fehlen internationaler Maßstäbe infolge der langen Abschließung zur Zeit noch stärker bemerkbar als in der Wissenschaft. Erst seit gut einem Jahr ist es den Künstlern gestattet, sich mit der modernen Kunst auseinanderzusetzen. Die Folge davon ist in vielen Fällen eine spürbare Desorientierung, Übertreibung oder auch Abschluß vor dem Anderen und Neuen.
Das Theater hat in erstaunlich kurzer Zeit mit seinen Spielplänen Anschluß an internationales Niveau gefunden. Man spielt fast alles, was auch bei uns zu sehen ist. Schauspieler, Re- gisseure und Bühnenbildner haben es noch etwas schwerer, da ihnen der unmittelbare Kontakt mit westlichen Kollegen fehlt. […]”
100. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 97-EA Band 188 – Kulturpolitische Jahresberichte Bukarest
Ber.Nr. 147/69 – Betr.: Kulturpolitischer Jahresbericht 1968
„[…] Die Botschaft hält eine sehr differenzierte und auch Einzelheiten berücksichtigende kulturelle Tätigkeit nicht nur deswegen für angebracht, weil viele Erwartungen in uns gesetzt werden und wir auf diese Weise schon eine erhebliche psychologische Wirkung erzielen, sondern weil es überall Menschen gibt, die an einer Entwicklung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern ehrlich interessiert sind.
Infolge des zentralistischen Systems im Gastland und des Versuchs, alle Verbindungen zu kanalisieren, sind diese Personen jedoch oft nur durch Zufall oder nach langen Bemühungen ausfindig zu machen. Durch sie können immer wieder neue und andere Bevölkerungskreise erreicht werden. Da es die Eigenart der hiesigen Verhältnisse außerdem mit sich bringt, daß auch diejenigen, die eine Verbindung mit uns wünschen, nur in sehr seltenen Fällen die Initiative ergreifen (können), sind ständige Bemühungen unsererseits notwendig.
Der Hunger nach lange Entbehrtem macht fast jeden Partner zu einem Multiplikator. Auf jeden Fall gilt das von allen geistig und fachlich interessierten Menschen, die alles Gedruckte, was sie erhalten können, an zahlreiche Freunde weitergeben, und von Reisen oder anderen Erlebnissen erzählten.
Was Breitenwirkung verspricht, hat zumeist geringere Tiefenwirkung. Selbst das Gastspiel eines Ensembles berührt unmittelbar nur relativ wenige Personen, dafür aber die fachlich richtigen und wichtigen. Tiefen- und Breitenwirkung ergänzen sich hier gut, weil Mundpropaganda, gewisse Publizität vorher und Kritiken danach den Partner im Gespräch halten. Daher ein Plädoyer für große Ereignisse von Zeit zu Zeit, auch wenn sie viel Geld kosten. […]”
101. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 97-EA Band 225 610-90.23 – Bilaterale Beziehungen BRD-Ausland
Auszug aus Pressemitteilungen und Sprachregelungen des Pressereferats
No. 33 vom 8. November 1969 – Buchausstellung in Bukarest
„Auf Anfrage: In diesen Tagen sollte in Bukarest eine Ausstellung moderner deutscher Literatur in Anwesenheit von Günter Grass eröffnet werden. Von rumänischer Seite wurden eine Reihe von Buchtiteln, die auf dier Ausstellung gezeigt werden sollten, u.a. Bücher der Autoren Uwe Johnson, Kantorowicz und Peter Weiss beanstandet. Herr Grass hat es daraufhin aus Solidarität mit dem Schriftstellerverband abgelehnt, an der Eröffnung der Ausstellung mitzuwirken. […]”
102. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1986/1987
1.1. ALLGEMEINES
„‘Rien ne va plus’, das ist derzeit der Eindruck, den man als Leiter des Kulturinsitutes Bukarest hat. Wir vergeben Stipendien, die Stipendiaten aber dürfen nicht ins Ausland fahren wir regen die Durchführung eines Symposiums für Altphilologen an und müssen den Termin von April auf Herbst verschieben, weil die rumänische Seite bis März den IL nicht einmal zu einem Vorbereitungsgespräch, das er mehrmals schriftich beantragte, vorgelassen hatte.
Die Lage ist deshalb so schwierig, weil keiner sich etwas zu entscheiden wagt und die allgemeine Tendenz ist ‘keine Beziehungen zu Ausländern’ (so wurde dem IL in Hermannstadt im März 1987 gesagt, als er fragte, wo er das Jazz-Quartett Overtone treffen könne). […]” – Institutsleiter (IL) Hubert Hauser
103. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1986/1987
II. Spracharbeit
„[…] Spenden (Lehrbücher u.a. Unterrichtsmaterial) an Institutionen in Bukarest und außerhalb dürfen mittlerweile nicht mehr direkt übergeben werden, sondern müssen vom jeweils zuständigen Ministerium vorher genehmigt werden. Diese Tatsache schränkt unsere Möglichkeiten weiter ein und läßt jede Spendenaktion zu einem größeren bürokratischen Akt anwachsen, der manchmal von Erfolg gekrönt ist. […]” – Stellvertretende Institutsleiterin, Marion Haase
104. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1986/1987
III. 1. KULTUR- UND INFORMATIONSARBEIT
„Der IL konnte stolz berichten, daß eine große Anzahl von Remittenden von Zeit, Spiegel und Stern von uns unter das Volk gebracht werden könne. Das ist jetzt vorbei! Der Kulturreferent der Botschaft wurde mehrmals vom Außenministerium angewiesen, uns zu sagen, daß keine Zeitung oder Zeitschrift mehr aus dem Haus gegeben werden dürfe.
Die Zahl der Zeitungsleser in den Bibliotheksräumen ist dadurch noch größer geworden; die Bücherentleihe ist zurückgegangen, wobei wir nicht wissen, was der Grund dafür ist: Kontaktverbot oder die Tatsache, daß wir im letzten Jahr (wegen Fehlen einer Diplombibliothekarin) weniger neue Bücher eingestellt haben. […]” – Institutsleiter (IL) Hubert Hauser
105. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1986/1987
III. 1. KULTUR- UND INFORMATIONSARBEIT
„[…] Was hier gut geht, sind Veranstaltungen, bei denen nicht wir als Veranstalter auftreten: siehe Jazzfestival in Hermannstadt (mit Konzerten auch in Klausenburg und Bukarest) oder das Jazzfestival in Bukarest mit Konzert in Klausenburg (5 Konzerte mit 5000 Zuhörern). Da der Veranstalter der rumänische Partner ist, gibt es für die meist jungen Leute keine Hemmung, die Konzerte zu besuchen.
Film- oder Videoabende im Institut sind voll besucht, niemand scheint sich hierbei um das Verbot zu kümmern. Ganz anders dagegen, wenn wir Filmpakete von einem deutschen Fachmann einführen lassen.
Prof. Schlegel hat durch uns dem Filmarchiv ein Seminar angeboten “Psychologie und Film”. Seit Monaten wagt keiner der Verantwortlichen uns eine Antwort zu geben. […]” – Institutsleiter (IL) Hubert Hauser
106. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1986/1987
III. 2. WEITERE PLANUNG
„Als ehrlicher Mensch müßte man sagen, wenn so viele Länder ein GI wollen und doch keines bekommen können, warum dann hier bleiben, wo man uns nur ungern duldet?
Und doch aus unzähligen Gesprächen mit Besuchern geht der Wunsch hervor, das Institut zu halten. Ist hier doch der einzige Ort, wo man deutsche Zeitungen lesen, Filme sehen, Bücher entleihen kann.
‘Sagen Sie Ihren Vorgesetzten, sie sollen um Gotteswillen dieses Institut nicht schließen, wir brauchen es so sehr’, sagte mir ein auch in Deutschland bekannter Herr erst vor kurzem oder ‘Bleiben Sie hier mit Ihrem Institut. Hier ist eine Insel, wo man etwas Freiheit atmen kann.’
So bemühen wir uns also weiter, auch, wenn es manchmal sehr schwer ist.” – Institutsleiter (IL) Hubert Hauser
107. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1987/1988
1.1. ALLGEMEINES
„[…] In Bukarest verschwinden fast täglich ganze Wohnviertel – die Stadt hat ihr Gesicht weitgehend verloren.
Zu der Angst der Bevölkerung kommt noch die Sorge um das tägliche Brot. Das im wörtlichen Sinn: die Schlangen vor den Brotläden werden immer länger. Auf dem Lande bekommt die Bevölkerung 200g pro Kopf und Tag.
Das Schlimmste für intellektuelle Menschen aber ist die Angst: Angst vor der dauernden Bespitzelung, Angst durch ein Wort sich selber zu verraten ‘Diese Angst macht uns ganz krank’ erzählte mir ein bekannter Forscher mit Tränen in den Augen. Ist es verwunderlich, wenn auf dem kulturellen Sektor da nichts mehr geht?” – Institutsleiter (IL) Hubert Hauser
108. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1987/1988
II. Spracharbeit
„Einmal pro Monat findet im Kulturinstitut die Lehrerfortbildung für Deutschlehrer aller Schultypen im Bereich Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Muttersprache statt. Leider hat sich der Teilnehmerkreis von ursprünglich über 30 auf etwa 20 Personen reduziert. Ein Grund dafür ist die zunehmende Belastung der Lehrer an den Schulen. Im September letzten Jahres hat das Unterrichtsministerium aus Kostengründen das Jahresdeputat von 712 auf 780 Unterrichtsstunden erhöht und die meisten Halbtagslehrer und Honorarlehrer entlassen. Um ihr Deputat zu erfüllen, müssen die festangestellten Lehrer deshalb an den Donnerstagen, obwohl diese Tage für Fortbildung vorgesehen sind, häufig Unterricht erteilen. Der andere Grund für das Fernbleiben einiger Teilnehmer ist in der Verschärfung des Kontaktverbots zu suchen. Daran wird sich vorläufig auch nichts ändern.” – Stellvertretende Institutsleiterin, Marion Haase
109. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1987/1988
III. 1. KULTUR- UND INFORMATIONSARBEIT
„Im April des Berichtjahres 1988 konnten wir endlich das seit 1 1/2 Jahren geplante Symposium ‘Das Weiterleben Roms bei den anderen Völkern Europas vom 1.-4. Jahrhundert’ durchführen. Daß das Ministerium für Unterricht und Erziehung unseren rein sprachlichen Aspekt in einen archäologischen umwandelte, hatte seinen Grund darin, daß man aus den Römer- und Dakerfunden beweisen wollte, was hier Staatstheorie ist, daß aus der römisch-dakischenzen Verbindung das rumänische Volk hervorgegangen sei.
Die Veranstaltung scheint nach außen hin ein großartiger Erfolg zu sein, die Initiatoren wissen, daß das gestellte Ziel nicht erreicht wurde. Es wurde z. B. dem Lehrstuhlinhaber für Romanische Sprachen nicht erlaubt, dem IL vor dem Kolloquium zu sprechen.
Eine deutsche Sängerin, Roswitha Sperber, war eingeladen, im Institut ein Konzert zu geben, um die Gelegenheit zu haben mit der berühmtesten Komponistin des Landes, Myriam Marbè, eine neue Komposition zu erarbeiten. Am Abend des Konzerts teilte man dem IL mit, daß es den rumänischen Komponisten ausdrücklich verboten wurde, das Konzert zu besuchen. Die Liste solcher Frustrationen ließe sich fortsetzen.” – Institutsleiter (IL) Hubert Hauser
110. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1987/1988
III. 3. BIBLIOTHEK
„Die Bibliothek erfreute sich im Berichtsjahr wie gehabt großen Interesses, insbesondere des ‘ungefährdeten’ Publikums, d.h. Rentnern und Schülern bis zur 10. Klasse. Die werktätige bzw. studierende Bevölkerung braucht auch für den Besuch unserer Bibliothek eine Genehmigung des Arbeitgebers bzw. der Hochschule: einige erhalten sie, andere kommen auf eigenes Risiko oder schicken ihre ältere Verwandtschaft, und viele bleiben uns fern. Die Bibliothekarinnen kommen so manchmal in die Situation, ihren Lesern den Besuch der Bibliothek auf einem Formblatt bescheinigen zu müssen. […]” – Chefbibliothekatin Regina Hampsink
111. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1988/1989
1. Kultur- und Informationsarbeit
„Man muß in diesem Lande besonders sorgsam abwägen, was möglich ist und was nicht; da alles der ‘Genehmigung’ einer höheren Stelle – sei es Kulturrat oder Erziehungsministerium – bedarf.
Unglaublich ist, wie die Bürokratie arbeitet. So bedurfte es neun ‘Genehmigungsbriefe’, um ein einheimisches Trio auftreten zu lassen, das längst bekannte Musik aufführte.
Bei entsandten Gruppen ist besonders wichtig, die Geburtsorte der Teilnehmer zu erfahren. Es könnte ja möglich sein, da ein Ex-Rumäne darunter ist, dann gibt es Schwierigkeiten. Musikalische Veranstaltungen laufen am besten in Zusammenarbeit mit ARIA – wobei der Name Goethe oder Kulturinstitut nicht genannt wird – und da wiederum Jazz-Musik; ganz be-
sonders ist das Jazzfestival in Hermannstadt Ende März jeden Jahres zu erwähnen, das unbedingt weiter von uns beschickt werden sollte. Aber auch andere Jazzkonzerte sind jedesmal ausgebucht.
Theaterveranstaltungen gehen so gut wie nicht – wohl aber Puppentheater – es darf nichts oder wenig gesprochen werden.
Filme sind nach wie vor der große Renner – nicht Filmpakete mit entsandtem Personal -sondern Spielfilme, auch Unterhaltungsfilme. Man darf nicht vergessen, daß der kommerzielle Film nur Veraltetes oder Vaterländisches zeigt und das Fernsehen nicht zu geniessen ist.
Erfolgreich waren in den letzten Jahren Wortveranstaltungen an Universitäten (auch im Bereich der Sprachabteilung), wobei die Universitäten im Lande besser zu erreichen sind als die in Bukarest. […]” – Institutsleiter (IL) Hubert Hauser
112. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1988/1989
Brief von. Prof. Gumbrecht an den Minister für Bildung und Wissenschaft Möllemann:
„[…] Vorn 19. bis zum 24. Mai habe ich auf Einladung des Deutschen Kulturinstituts in Bukarest eine Vortragsreise in Rumänien unternommen. Und ich bin in der vergangenen Woche in die Bundesrepublik mit zwei nur scheinbar widersprüchlichen Eindrücken zurückgekehrt: ich war auf der einen Seite beeindruckt von dem intellektuellen Niveau meiner rumänischen Freunde und Kollegen, zugleich aber schockiert – kein anderes Wort wäre hier adäquat – über die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zustände in Rumänien, die vor allem die Intellektuellen und den gesamten Universitätsbereich nun seit Jahren schwer beeinträchtigen. In diesem besonderen Kontext nun hat das Deutsche Kulturinstitut (das zur den Goethe-Instituten gehört) eine sehr wichtige und hervorragend realisierte Funktion übernommen. Es ist seinem Leiter, Herrn Hubert Hauser, der seine Tätigkeit in Bukarest im nächsten Monat beenden wird, gelungen, dieses Kulturinstitut zu einem der wenigen Zentren intellektuell-akademischen Austausches werden zu lassen – so sehr, daß nicht wenige rumänische Kollegen dieses Institut ‘die Insel der Seeligen in Bukarest’ (sic!) nennen. Nun habe ich auch erfahren, daß die Unterhaltungen dieses Instituts mit sehr hohen Kosten verbunden ist, welche immer wieder die Befürchtung entstehen lassen, die begonnene – und so außergewöhnlich wichtige – Arbeit über die nächsten Jahre nicht fortsetzen zu können. Ich möchte Sie, sehr geehrter Herr Minister, zum einen aufgrund Ihrer Zuständigkeit für den kulturellen Bereich, aber auch wegen der Tatsache der Zugehörigkeit des Goethe-Instituts zum Auswärtigen Amt, wo Sie selbst früher tätig waren, ganz herzlich bitten und auffordern, das in Ihren Kräften Stehende zu tun, um für die Erhaltung und Kontinuierung der Arbeit des Deutschen Kulturinstituts in Bukarest zu sorgen. Die Zustände in Rumänien können gewiß nicht von Dauer sein – und umso wichtiger ist es, daß über die derzeit währenden schrecklichen Jahre das intellektuelle Leben in dieser Region Europas erhalten wird. Diese Funktion aber würde ohne das Deutsche Kulturinstitut in Bukarest erheblich beeinträchtigt werden. […]”
113. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95 ZA Band 201274 602-630 SE 477/15 – Münchner Philharmoniker nach Rumänien Februar 1990
Aus: Bukarest /Nr. 76 vom 12.01.1990, 1705 OZ / Verf.: Fahrenholtz / Betr: Münchner Philharmoniker
„1.) DER NEUE KULTURMINISTER RUMÄNIENS, ANDREI PLESU, SPRACH AM 11.01.90 PERSÖNLICH DIE BOTSCHAFT AN MIT FOLGENDEM VORSCHLAG: DER PROMINENTE DIRIGENT DER MÜNCHNER PHILHARMONIE, CELIBIDACHE, SEI AN IHN HERANGETRETEN MIT DEM ANGEBOT, IN DEM ZEITRAUM 13.-18.02.90 ZUSAMMEN MIT DEN MÜNCHNER PHILHARMONIKERN IN BUKAREST MEHRERE KONZERTE ZU GEBEN. KULTURMINISTER PLESU BOT AN, DASS DIE RUMÄNISCHE SEITE SÄMTLICHE KOSTEN, DIE VOR ORT ANFALLEN (UNTERBRINGUNG, TRANSPORT U.A.) ÜBERNEHMEN WÜRDE, UND BAT UNS UM ÜBERNAHME DER REISEKOSTEN VON MÜNCHEN NACH BUKAREST UND ZURÜCK.
ZUSÄTZLICH SPRACH PLESU VON SICH AUS AN – OHNE DETAILS ZU NENNEN – DIESE KONZERTE ZEITLICH MIT HOCHRANGIGEIN POLITISCHEN GESPRÄCHEN ZU VERBINDEN.
2.) EINE REALISIERUNG DIESES VORHABENS WÄRE MIT EINER AUSSERODENTLICHEN WIRKUNG VERBUNDEN. DIE MÜNCHNER PHILHARMONIKER WÄREN DAS ERSTE AUSLÄNDISCHE ENSEMBLE – NOCH VOR DEN FRANZOSEN -, DAS HIER NACH DEM UMSTURZ AUFTRÄTE, DIESE GESTE WÜRDE ALS DEUTLICHER AUFTAKT EINER NEUEN QUALITÄT DER BILATERALEN KULTURPOLITISCHEN BEZIEHUNGEN VERSTANDEN WERDEN. DIE LANGE ZEIT PRAKTISCH UNTERDRÜCKTE TRADITIONELLE VERBUNDENHEIT DER RUMÄNISCHEN MUSIKWELT MIT DER DEUTSCHEN WÜRDE SOMIT WIEDER AUFLEBEN.” (TERFLOTH)
114. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95 ZA Band 201274 602-630 SE 477/15 – Münchner Philharmoniker nach Rumänien Februar 1990
Botschaft der BRD- Bukarest, den 28.02.1990 / Ber. Nr. 263/90 / Betr.: Benefizkonzert der Münchner Philharmonie unter Leitung von Sergiu Celibidache in Rumänien
„Nach einhelliger Auffassung der rumänischen Öffentlichkeit waren die Konzerte der Münchener Philharmoniker unter der Leitung von Sergiu Celibidache in Bukarest das herausragende musikalische Ereignis im Rumänien der Nachkriegszeit.
Seit langer Zeit hat kein Philharmonieorchester mit einem derartigen internationalen Renommee in Bukarest gastiert. Allerdings kam diesen Konzerten eine über das rein musikalische hinausgehende Bedeutung zu. Die Tatsache, daß so kurz nach der Revolution die Bundesrepublik Deutschland ein derartig großes und teures Unterfangen, wozu normalerweise eine mehrmonatige Vorbereitung notwendig ist, ermöglichte, wurde hier einstimmig als Geste der Solidarität mit Rumänien verstanden. Die Aufführungen wurden in der hiesigen Öffentlichkeit als ‘Freiheitskonzerte’ tituliert.
Eine besondere Tragweite wurde den Konzerten auch durch die Teilnahme von Celibidache verliehen. In seiner Person, einer der wenigen Rumänen, die in ihrem Bereich Weltgeltung erlangt haben, kristallisierte sich der Stolz auf die nationale Kultur sowie die Euphorie über die mit der Befreiung von der Diktatur verbundene Wiedereingliederung Rumäniens in Europa.
Celibidache hatte nie seine Abscheu gegenüber dem Ceausescu-Regime verhehlt. Sein letzter Auftritt in Rumänien fand vor 11 Jahren statt. Der Jubel und Respekt, der ihm hier als Identifikationsfigur des modernen von der deutschen Kultur Geprägten, aber immer noch in der traditionellen rumänischen Kultur Verwurzelten, entgegengebracht wurde, war überwältigend. […]” (Terfloth)
115. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95 ZA Band 201274 602-630 SE 477/15 – Münchner Philharmoniker nach Rumänien Februar 1990
Botschaft der BRD – Bukarest, den 28.02.1990 / Ber. Nr. 263/90 / Betr.: Benefizkonzert der Münchner Philharmonie unter Leitung von Sergiu Celibidache in Rumänien
„[…] Obwohl das Bukarester Athenäum 800 Sitzplätze bietet, waren zu jedem der Konzerte und Proben ca. 1500 Menschen anwesend, so daß über 10000 Auserwählte in den Genuß kamen, die Konzerte direkt mitzuerleben. Zum Eröffnungskonzert war die gesamte (neue) politische und kulturelle Elite des Landes anwesend. Der Beifall nach den Konzerten schlug von Jubel in Euphorie um; viele Zuhörer waren zu Tränen gerührt. Das Eröffnungskonzert wurde im Fernsehen Rumäniens und allen osteuropäischen Staaten live übertragen.
Große Bedeutung fanden auch die feierliche Kranzniederlegung durch Celibidache und die Pressekonferenz, an der neben dem Maestro Vertreter der deutschen Seite teilnahmen.
Die sich an die Konzert anschließenden Empfänge in der Residenz, des Kulturministers und der Philharmonie waren sehr gut besucht, u.a. auch mit hochrangigen Vertretern aus Politik und Kultur. Am Rande ergaben sich zahlreiche herzliche Kontakte zwischen den Musikern beider Philharmonien.
Diese Tournee kann als außerordentlich großer Erfolg gewertet werden, beispielhaft dafür, wie ein kulturelles Ereignis, mit optimalem Timing und prompter Organisation zu einem Ereignis mit weitreichender öffentlichkeitswirksamer und politischer Tragweite werden kann. […]” (Terfloth)
116. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95 ZA Band 201274 602-630 SE 477/15 – Münchner Philharmoniker nach Rumänien Februar 1990
Landeshauptstadt München – Münchner Philharmoniker – München, 06.03.1990
Herrn Dr. Barthold Witte
Auswärtiges Amt
„Sehr geehrter Herr Dr.Witte,
als Anlage erlaube ich mir Ihnen den uns vorliegenden Pressespiegel über das Rumänien-Gastspiel der Münchner Philharmoniker zu übersenden.
Sicher gab es schon längere Konzertreisen der Münchner Philharmoniker, aber es hat niemals ein Gastspieleb im In- und Ausland ein derartiges Presseecho ausgelöst.
Maestro Celibidache, die Münchner Philharmoniker und ich persönlich sind Ihnen und Ihrem Haus sehr dankbar, daß Sie dieses sehr beeindruckende Erlebnis für alle Münchner Philharmoniker ermöglicht haben. Gerne stehen wir Ihnen auch in Zukunft für große kulturpolitische Ereignisse zur Verfügung. Für heute verbleibe ich
mit den besten Grüßen”
Norbert Thomas
117. Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amts in Berlin / B 95 ZA Band 201274 602-630 SE 477/15 – Münchner Philharmoniker nach Rumänien Februar 1990
Landeshauptstadt München – Münchner Philharmoniker – München, 06.03.1990
„Sehr geehrtre Damen und Herren,
Maestro Celibidache und die Münchner Philharmoniker sind von einer außerordentlichen und bewegenden Rumänien-Reise zurückgekehrt.
Daher ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen den uns bisher vorliegenden Pressespiegel vorzulegen. In ihm wird das beschrieben, was die Rumänien und die Deutschen in diesen Tagen bewegt hat.
Wie sagte der rumänische Kultusminister: ‘Das Athenäum war in diesen Tagen das Zentrum Rumäniens’.
Mit freundlichen Grüßen”
Norbert Thomas
118. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1990/1991
2.Kultur- und Informationsarbeit / 2.1 Kulturpolitische Situation
„Nach Albanien hat Rumänien in Europa die geringsten Mittel für kulturelle Zwecke zur Verfügung (0,3% des Budgets). Das Kulturministerium kann sich kaum selbst erhalten, geschweige denn kulturelle Programme oder Strukturveränderungen finanzieren. Die Künstlerverbände sind finanziell am Ende, kaum noch in der Lage, Pensionen an ältere Mitglieder auszuzahlen. Der Staat weigert sich einzuspringen. […] erst kürzlich mußten viele nach der Revolution gegründeten Zeitschriften eingestellt werden: Die Papierpreise haben inzwischen europäisches Niveau erreicht. Papier wird, trotz schlechter Qualität, unbezahlbar.
Für unsere Arbeit bedeutet dies einmal, daß jedes mit Partnern durchgeführte Projekt von uns voll finanziert werden muß, zum anderen sind die Einkommensverhältnisse von Intellektuellen, Künstlern und Wissenschaftlern so minimal, daß man ihnen bei Auftritten im GI eine Bezahlung in DM nicht mehr verweigern kann.
Durch das im November 90 unterzeichnete Abkommen über den Austausch von Kulturinstituten ist der Name GI für unser Haus gesichert und die Entfaltung von Aktivitäten außerhalb des Hauses garantiert. Von Behinderungen durch Behörden ist nichts zu spüren.” – Institutsleiter (IL) Vladimir Kadavy
119. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1990/1991
2.4 Ausstellungen
„Die Aufgeschlossenheit und Neugierde von Galeristen, Malern, Grafikern und Bildhauern für Kunst aus Westeuropa ist enorm und konnte auch in der Ceausescu-Zeit nie gänzlich unterbunden werden.
Die ‘Videokollektion Josef Beuys’ mußte wegen ihres Erfolgs mehrmals wiederholt werden, auch der ‘4. Marler Videokunstpreis’ wurde vom Fachpublikum und Studenten der Kunstakademie mit großem Interesse aufgenommen. Bukarest ist ein gutes Pflaster gerade für Videokunst, eine kleine Szene hatte sich schon vor der Revolution etabliert.
Ein gänzlich unerwarteter Besuchererfolg war Gritta Rösings Fotoserie ‘Grafittis der Berliner Mauer’ beschieden. Dinescu eröffnete. Bisher war sie auch in Hermannstadt, Klausenburg, Bistritza, Oradea und Rimnicu Vilcea zu sehen. Rumäniens angesehene Kulturzeitschrift ‘Secolul XX’ veröffentlichte mehrere Fotos, ergänzt durch Essays, Prosa und Lyrik über den Mauerfall.” – Institutsleiter (IL) Vladimir Kadavy
120. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1990/1991
2.5 Film/Video/Satellit
„Rumäniens Fernsehen hat zumindest Anschluß an die westliche Zerstreuungssucht gefunden. Die dort abgelieferte Unterhaltungsware – der Schrott der 60er und 70er Jahre – ist gehaltvoller als die öden Huldigungsprogramme der goldenen Ära, die in allen Kulturinstituten für gut besuchte Filmvorführungen gesorgt hatten. Diese Bedingungen sind nun entfallen, und Besucher strömen nicht gerade zahlreich. […]
Unter solchen Umständen ist ein regelmäßiges Filmprogramm im Institut eigentlich nicht mehr aufrechtzuerhalten. Als Ausweg bietet sich an, nicht nur die Bestände der Videothek aufzustocken, sondern gelegentliche Zusammenarbeit mit Programmkinos zu suchen.
Zusammenarbeit mit der ATC (=academia pentru arta teatrala si cinematografica): Zwei Seminare (Dokumentarfilm/Video und Werbung) wurden mit Studenten der ersten Semester durchgeführt. Die ATC ist Rumäniens einzige Ausbildungsstätte für den Regie- und Schauspielnachwuchs und bedarf dringend der Unterstützung. Eine weitere Zusammenarbeit mit uns wird immer wieder erbeten und zahlt sich langfristig aus. […]” – Institutsleiter (IL) Vladimir Kadavy
121. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/681 – Jahresberichte 1986 – 1991 Bo-Bu
Jahresbericht 1990/1991
2.7 Werbung
„Monatsprogramme und Einladungskarten erstellen wir selbst auf unserem Minolta-Farbkopierer, Druckereien verfügen weder über gutes Papier, noch sind sie zu kurzfristiger Auftragserledigung oder halbwegs ansprechendem Layout fähig. Unser Kopiergerät ist dadurch enormen Belastungen ausgesetzt und extrem reparaturanfällig.
Zu allen Veranstaltungen laden wir schriftlich ein – nicht nur ein Reflex auf die alten Zeiten, wo nur durch eine schriftliche Einladungskarte der Institutsbesuch genehmigt werden konnte. Post innerhalb Bukarests ist meist mehr als zehn Tage unterwegs, sofern sie ihre Adressaten erreicht. Daher bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Teil der Einladungen per Dienstfahrzeug auszufahren – eine mühselige Angelegenheit. Erleichterung könnte uns die lange angekündigte Zusendung weiterer Computer und Drucker verschaffen, um den Adressenausdruck rationeller zu bewältigen.
Über öffentliche Resonanz brauchen wir uns nicht zu beklagen. Regelmäßig berichten die deutschsprachige Zeitung ‘Neuer Weg’ und verstärkt auch die rumänische Presse über unsere Veranstaltungen. Das gilt auch für Fernsehen und Radio, so die deutsche Abteilung des rumänischen Fernsehens, die Kulturredaktion des 1. Programms, Radio Bukarest und der Auslandsdienst des rumänischen Rundfunks in deutscher Sprache.” – Institutsleiter (IL) Vladimir Kadavy
122. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B 307/480 – Jahresberichte der Zweigstellen A-G 1982-1984
Jahresbericht 1983/1984
„Die rumänische Kulturpolitik ist dadurch geprägt: Wegen der Finanz- und Wirtschaftslage des Landes findet kaum noch ein Austausch statt, wenn er nicht Devisen einbringt oder für Rumänien kostenlos ist. Nach Möglichkeit soll jeder Austausch außerdem – zumindest verbal – ideologischen oder propagandistischen Nutzen bringen.
Im Erziehungsbereich müssen 40-50% der Kosten eingespart werden, im Bereich der Kunst sollen seit Anfang 1984 bis zu 70% der Kosten durch die einzelnen Institutionen eingespart, eingespielt oder in irgendeiner Form selbst aufgebracht werden. Bei diesen Sparmaßnahmen sind in absehbarer Zeit höchstens kosmetische Änderungen zu erwarten.
In diesem Umfeld finden qualifizierte westliche Angebote großes Interesse bei der Bevölkerung, bei einem Teil, sie unterliegen jedoch weiterhin der offiziellen Wachsamkeit und oft undurchschaubaren Behinderungen. […]”
123. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B 307/782 – Institute A-J
19.02.90 – SITUATION BIBLIOTHEK:
„Seit der Revolution ist in allen Bereichen ein vermehrter Arbeitsanfall zu bewältigen, bzw. es sind auch neue Aufgabenbereiche hinzugekommen. Die Zahl der Neuanmeldungen ist sprunghaft angestiegen. Statt wie früher 0-5 Anmeldungen pro Tag, sind jetzt 15-25 eher die Norm und der Trend hält an.
Erfreulich ist auch die relativ grosse Zahl der ‘Wiederkehrer’, d.h. der Leute, die vor 10 oder 8 Jahren einmal regelmäßige Benutzer waren und sich in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen nicht mehr in die Bibliothek trauten.
Während die Ausleihzeit vor der Revolution hauptsächlich zur Buchrückgabe und -ausleihe genutzt wurde, hat sich mittlerweile ein reger Auskunfts- und Informationsdienst entwickelt, der oft nur mühsam neben dem regen Betrieb an der Ausleihtheke bewältigt werden kann.
Gefragt sind Informationen aller Art: Adressen, Informationen über Deutschland allgemein, aber auch sehr spezifische Fragen zu Bereichen der politischen Bildung (z. B. Gewerkschaften, Sozialsystem, Wahlen etc.) und anderer Fachgebiete (v.a. Naturwissenschaften und Technik, auch Tourismus). Hinzugekommen ist auch der Bereich der Studienberatung, der in Zusammenarbeit mit der PV-Abteilung geleistet wird.
Eine erhöhte Nachfrage läßt sich auch im Bereich der Fernleihe verzeichnen. Gingen vor der Revolution in der Woche ca. 5-10 Bestellungen ein, sind jetzt 30-40 Bestellungen die Regel.
Auch der Literaturversand per Post in die Provinz hat zugenommen.
Ein völlig neuer Aufgabenbereich ist die Kontaktarbeit mit Bukarester Museen, dem Rundfunk und anderen öffentlichen Institutionen, wobei es sich vorwiegend um Information und Dokumentation handelt, z.T. auf regelmässiger Basis. […]” – Chefbibliothekatin Andrea Wittek
124. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B 307/782 – Institute A-J
Situationbericht des Kulturinstituts in Bukarest / Zeitraum: Januar – Februar 1990
Sicherheit
„In den ersten Wochen ging noch die Angst vor Heckenschützen der Securitate um, nach Einbruch der Dunkelheit waren Bukarests Straßen wie leergefegt (die Polizeiposten gegenüber dem Institutsgebäude baten uns, das auf sie abstrahlende Licht unserer Schaufenster abzuschalten, um nicht zur Zielscheibe zu werden). Wir beschlossen daraufhin, die Bibliothek vor Einbruch der Dunkelheit zu schließen, ließen tagsüber die Taschen der Besucher öffnen und tasteten sie auch ab.
Doch zu keinem Zeitpunkt stellten wir uns ernstlich die Frage einer Totalschließung, die auch unsere neugewonnenen Besucher verunsichert hätte.
Inzwischen hat sich die Lage wieder soweit beruhigt, daß wir wieder zu normalen Öffnungszeiten zurückgekehrt sind.
Auswirkungen der Revolution auf unsere Arbeit
Unbeschadet der obengenannten Umstände strömten und strömen Besucher in unser Haus, im Volksmund längst ‘Goethe – Institut’ genannt. […]
Unsere Gesprächspartner wollen viel: Stipendien, den Kurierweg in Anspruch nehmen (aus Mißtrauen gegenüber der eigenen Post), Adressen von bundesrepublikanischen Institutionen, die Botschaft bei der Visabeschaffung umgehen, Zeitungen, Illustrierte, Publikationen, natürlich auch Vorschläge zur Gestaltung des Kulturprogramms unterbreiten usw. usw. Dies alles war und ist ungeheuer zeitraubend, muß aber geleistet werden, um den nun erkämpften freien Zugang zu unserem Institut nicht durch Hinweise auf die anfallende Arbeit ad absurdum zu führen…. Alle Mitarbeiter sind davon betroffen, besonders aber die Bibliothekarinnen, die Assistentin der Sprachabteilung, sowie der IL.” – Institutsleiter (IL) Vladimir Kadavy
125. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B 307/782 – Institute A-J
Situationbericht des Kulturinstituts in Bukarest / Zeitraum: Januar – Februar 1990
Programmarbeit
„Eher zögerlich und noch recht mühsam gestaltet sich die Suche nach Partnern für kommende Projekte. Natürlich ist es jetzt möglich, von Zensur und administrativer Pression unbehelligt, Programme zu verwirklichen, die bei unserem rumänischen Zielpublikum Anklang finden könnten. Drei Schwerpunkte zeichnen sich ab:
1. Literatur, darunter auch die rumäniendeutsche Literatur, deren Zukunft und Überlebensmöglichkeiten gerade von rumänischer Seite mit großer Anteilnahme verfolgt werden.
2. Ökologie: hier ist ein Nachholbedarf und großes Interesse festzustellen.
3. Videokunst: Praktisch unbekannt, aber den Reiz des absolut Neuen enthaltend.
Wer aber sind die Ansprechpartner für unsere zukünftige Arbeit? Eine von staatlicher Gängelung befreite Kulturszene kann erst in Ansätzen existieren, mehr schlecht als recht, zumal ihr die Mittel fehlen. Die alten Kulturbürokratien existieren zwar noch, zugleich sind sie in Auflösung begriffen. Viele neue interessante, unbelastete Ansprechpartner nehmen nun Positionen ein in Institutionen, denen sie vor der Revolution ausgeliefert waren. Es werden noch Monate vergehen, vielleicht bis zu den Wahlen, bis sich der Nebel gelichtet hat und man weiß, mit wem man kann.” – Institutsleiter (IL) Vladimir Kadavy
126. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B 307/1153 – RAB 1989 Osteuropa
Regionale Arbeitsbesprechung der Region Osteuropa vom 19.-22. Juni 1989 in München
„[…] Der Rhythmus der kulturpolitischen Verhandlungen ist ein Indikator für die in diesen Ländern erfolgende politische Öffnung, auch wenn diese sehr verschieden verläuft. Keine Anzeichen von Öffnung zeigen sich bisher in der DDR und Rumänien. Ungarn und Polen liegen in den Liberaliesirungstendenzen weit vorn, wenn sie auch noch nicht mit westlichen Demokratien verglichen werden sollten. In der Tschechoslowakei und Bulgarien ist die Liberalisierung noch stark begrenzt.
Die besondere Rolle der Kultur im Zeichen dieser politischen Öffnung ist nicht nur eine begleitende. Sie sollte für uns wirklich die dritte Säule der Außenpolitik sein, sie ist eine politische Dimension aus eigenem Recht. Sie kann auch die Politik vorbereiten, wie das Beispiel von Solschenizyn zeigt. Kunst und Kultur als Seismograph, aber auch als Beförderer politischer Entwicklungen. Auch kürzliche Gespräche mit dem wichtigsten albanischen Schriftsteller Ismail Kadare bestätigten, daß Kunst und Literatur in diesen Ländern vom Geist der Freiheit leben. Sie sind eine selbständige Kraft, auf die wir zählen können. […]”
127. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B 307/1153 – RAB 1989 Osteuropa
Regionale Arbeitsbesprechung der Region Osteuropa vom 19.-22. Juni 1989 in München
„[…] Kunst. Hier findet sich in Osteuropa ein qualitativ hochwertiger Grundbestand, der aber allgemein wenig entwickelt und, aus wirtschaftlichen und politischen Gründen, nicht auf europäischem Stand ist. Hier, wie im ganzen künstlerischen und intellektuellen Bereich, zeigt sich ein ausgeprägtes Bewusstsein der Zugehörigkeit zum europäischen Kulturraum und besonders Interesse an den Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland. Herauszugreifen, beispielhaft, ist ein regionaler Schwerpunkt: das Kindertheater. Allgemein in der Region gibt es auf diesem Gebiet eine starke Tradition, die jedoch weithin in hergebrachten Formen arbeitet. Das Goethe-Institut kann hier sowohl Anstösse zur Entwicklung neuer künstlerischer Formen geben als auch pädagogische und gesellschaftliche Inhalte vermitteln.
Ökologie. In ganz Osteuropa ein brennendes Thema. Hier aber kommt ein weiterer, sehr wichtiger Faktor hinzu: die Entwicklung eines Umweltbewußtseins geht weithin Hand in Hand mit einem neuen politischen Bewußtsein, einer Entwicklung zum kritischen Bürger hin. Politische Dimension! […]”
128. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B 307/1153 – RAB 1989 Osteuropa
Regionale Arbeitsbesprechung der Region Osteuropa vom 19.-22. Juni 1989 in München
„Zusammenfassender Überblick über die kulturpolitische Situation in Rumänien:
Die Rahmenbedingungen, unter denen die kulturpolitische Situation Rumäniens zu verstehen ist, werden von folgenden Faktoren definiert: Ausgehend von einer desolaten Wirtschaftslage wird eine äußerst restriktive Austeritätspolitik forciert, die kulturellen Aktivitäten, mit der Ausnahme propagandistischer Selbstdarstellung, niedrigste Priorität bei der Mittelzuteilung einräumt. So müssen sich fast alle kulturellen Institutionen nach dem Prinzip der Selbstfinan- zierung richten und erhalten keine staatlichen Subventionen. Eine neostalinistische Repressionspolitik hat zu einer Erstarrung des gesamten politischen und kulturellen Lebens geführt und läßt keinen Raum für Spontaneität und Kreativität. Eine nationalistische Abschot- tungspolitik versucht, jeglichen Kontakt und Austausch mit dem Ausland zu unterbinden. Kulturaustausch wird nur geduldet, wenn er Nutzen in der Form von Devisen oder Propagandawirkung einbringt.
Nach wie vor gilt der von Ceausescu herausgegebene Leitsatz: ‘Jede kulturelle Tätigkeit soll den Kult der Arbeit fördern und den neuen Menschen im Geiste des patriotischen Sozialismus formen.’
Im Laufe des letzten Jahres haben sich die allgemeine Situation sowie die Bedingungen für unsere Kulturarbeit vor Ort verschärft: Nach Ablauf des letzten konnte kein neues 2-Jahres-Kulturprogramm vereinbart werden. Das rum. Prinzip der Reziprozität im Kulturaustausch wird im Sinne einer ‘Nullreziprozität’ ausgelegt. Ein Geheimdekret verbietet rum. wissenschaftlichen Institutionen ausländische Sachspenden anzunehmen. Lizenz- und andere Gebühren dürfen nicht mehr erlassen werden. Die Zahl ausländischer Lektoren wurde zusammengestrichen. Germanistik als Hauptfach kann nur noch in Bukarest von max. 25 Studenten belegt werden. Private Kontakte zu Personen des kulturellen und wissenschaftlichen Bereichs sind nicht mehr möglich. Die Zahl von Wissenschaftlern, die Rumänien zu Forschungszwecken verlassen durften, wurde verringert.
Trotz dieser Restriktionen muß die große Bedeutung unserer Kulturarbeit vor Ort, insbes. des GI, betont werden. Durch flexible und beharrliche Vorgehensweise kann mehr erreicht werden als zunächst denkbar.
Für viele rumänische Akademiker und Wissenschaftler stellen wir die letzte ‘intellektuelle Lebenslinie’ dar, die ihnen viel mehr bedeutet als nur die Möglichkeit, Anschluß zu halten an die neuesten Entwicklungen im Westen. […]”
129. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/ 564 – Bukarest 1966 – 1986
14.12.1966 – Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Die Deutsche Buchausstellung in Bukarest, die Ende Oktober geschlossen wurde, ist, nach dem soeben im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel veröffentlichten Schlußbericht, von 12.636 Menschen besucht worden. Allein am ersten und an den beiden letzten Aus- stellungstagen wurden 3600 Besucher gezählt. Im Börsenblatt wird berichtet, daß die deutschen Begleiter mit Besuchern gesprochen haben, die Entfernungen bis zu 600 Kilometer zurückgelegt hatten, um die Bücher der deutschen Verlage zu sehen.”
130. Fragment aus dem Interview mit Dr.Phil. Dr.Med. Jürgen Dollmann, der 1980, als Teil der Frederic Rabold Crew, im Rahmen der Kulturtage der BRD in Rumänien konzertierte (Interview geführt von Roxana Lapadat im November 2024):
„Einzelne Musiker haben es geschafft, zu uns herzukommen nach den Konzerten. Und die haben uns sofort gewarnt, dass sie eigentlich nicht mit uns reden durften. Und ich weiß nicht mehr wie, ich glaube über Zettel, haben sie uns Adressen zugesteckt und haben gesagt: ‘Kommt doch heute Abend dahin, aber ihr müsst euch absetzen.‘ Ich weiß nicht, was hintennach mit ihnen passiert ist, ich hoffe, das ist gut ausgegangen.
Also haben wir es geschafft, Musiker zu treffen und da durften wir keine Aufnahmen machen. Wir saßen in ärmlichen Küchen. Die Oma und die Eltern vom Jazzmusiker waren da. Einer unserer Musiker, Rainer Pusch, der hatte auch zufälligerweise seinen Saxophon-Koffer mit dabei und wir haben geredet. Und ich kann mich an folgendes Gespräch erinnern: Wir sind durch Bukarest gefahren und ich habe Plakate vom Jazzclub Bukarest gesehen. Da waren Namen drauf wie Count Basie oder Duke Ellington. Und ich habe verwundert gesagt: ‘Was für ein Wahnsinnsprogramm es in Bukarest, im Jazzclub gibt‘. Dann hieß es: ‚Nein, nein, um alles in der Welt, die kommen nicht nach Rumänien. Wir haben da Count Basie – Programm und alle die Schallplatten von Count Basie haben, die bringen sie mit und wir hören dann die Schallplatten an‘. Das war für uns unvorstellbar. Da ist mir überhaupt die Bedeutung von Musik so klar geworden. Wir haben diese Musik gemacht, einfach so, wir haben Konzerte gespielt, Fernseh- und Studioaufnahmen gemacht, haben Spaß gehabt und dann plötzlich wird es klar, dass es nicht überall so leicht ist. ‚Was ihr macht, das ist für uns Freiheit‘, wurde uns damals erklärt. Und ich weiß noch, einer der Musiker hat Rainer Pusch, der sein Saxophon dabeihatte, gebeten, etwas zu spielen. Und unbegleitet hat er ‘Body & Soul‘, eine Ballade, gespielt. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis. Die Bedeutung, Musik überhaupt machen zu dürfen, ist für mich erst durch Rumänien rausgekommen.“
131. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1997/1998
1. Allgemeiner Teil
„Die eigentliche politische Wende nach der siebenjährigen Übergangszeit unter dem postkommunistischen Präsidenten Iliescu, die Ende 1996 einsetzte, konsolidiert sich weiterhin, dennoch bauen sich die Reste der Kommando- und Gehorsamsstrukturen nur langsam ab. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis demokratisches Denken und Handeln zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Erfreulicherweise hat sich bei der neuen Regierung, die zunächst unter erheblichen Geburtswehen litt (dauernde Kabinettsumbildungen), eine Konstellation ergeben, die für unsere Arbeit besonders günstig ist: Sowohl das Kulturmini- sterium (Ion Caramitru) als auch das Erziehungsministerium (Andrei Marga) und das Außenministerium (Andrei Pleșu) sind von Persönlichkeiten besetzt worden, deren Ziel es ist, Rumänien als Land des demokratischen Europa zu festigen.
Der Kulturminister trägt sich mit dem Gedanken, nun auch die Einrichtung eines rumäni-schen Kulturinstituts in Deutschland zu betreiben, wie es im Kulturabkommen vorgesehen ist. Die schon bestehenden rumänischen Kulturinstitute im Ausland sollen in ihrer Organi- sationsform den Goethe-Instituten ähnlich werden – also weg von der staatlich dirigierten Kulturpolitik der kommunistischen Zeit. […]” – Institutsleiter (IL) Peter Reitz
132. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1997/1998
1. Allgemeiner Teil
„[…] Im Berichtszeitraum fanden zwei bedeutende Ereignisse auf dem Gebiet des Verlagswesens statt: die Leipziger Buchmesse mit dem Länderschwerpunkt Rumänien und die Internationale Buchmesse Bukarest mit der Länderschwerpunkt Deutschland. Das Hervortreten Rumäniens in Leipzig (begleitet von zahlreichen Ausstellungen und anderen kulturellen Ereignissen) war wohl wichtiger als der eher bescheidene Beitrag deutscher Verlage in Bukarest. Letzteres liegt daran, daß Rumänien für die deutschen Verlage im Grunde kein Markt ist und man die Beteiligung eher als ‘good will’-Aktion betrachtete. Dennoch mögen die beiden Veranstaltungen dazu beigetragen haben, das eher negative Bild Rumäniens und der Rumänen in Deutschland aufzuhellen. […]” – Institutsleiter (IL) Peter Reitz
133. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1997/1998
1. Allgemeiner Teil
„[…] Ein wunder Punkt ist nach wie vor die verzögerte politisch-wirtschaftlich-militärische Ein- gliederung in die NATO und die Europäische Union. Trotz aller rationaler Begründung wird dieses Wartenmüssen schmerzhaft empfunden. Auch die Tatsache, daß ein Rumäne zur temporären Einreise nach Deutschland ein Visum braucht und sich dazu mühevollen Beantragungsformalitäten unterziehen muß, erweckt bei vielen Menschen Miẞstimmung, so einsichtig eine solche Regelung gesamtpolitisch gesehen auch sein mag. […]” – Institutsleiter (IL) Peter Reitz
134. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1997/1998
4. Kulturprogramm
„Das Institut konnte seine Stellung in der Kulturszene weiter ausbauen. Das Image, ein Insti- tut für die deutschen Minderheiten zu sein, besteht zwar bisweilen immer noch, geht aber ständig zurück. Es gilt klarzustellen, daß sich unsere Arbeit an alle Bewohner Rumäniens richtet und daß die deutschen Minderheiten dabei nicht Zielgruppe, sondern Bundesge- nossen sein können. Der Kontakt zu allen wichtigen kulturellen Institutionen in Bukarest und in bescheidenerem Umfang auch in der Provinz sind gut – dort ist Jassy (lași) besonders hervorzuheben. In dieser ‘zweiten Hauptstadt Rumäniens’ besteht ein reichhaltiges Kulturleben, zudem gibt es dort ein von der Deutschen Botschaft unterstütztes deutsches Kulturinstitut, das nach Absicht des AA in Zukunft dem Goethe-Institut Bukarest unterstellt werden soll. Weitere Kontakte in Hermannstadt, Klausenburg, Temeswar etc. kommen hinzu. […] In allen Bereichen liegt weiterhin die finanzielle Hauptlast beim Goethe-Institut, da nirgends viel Geld vorhanden ist. Die Partner bemühen sich nach Kräften, mit Sachleistungen beizutragen. Aufgrund der noch andauernden Umbruchssituation geschieht es auch weiterhin, daß Projekte nicht so zustande kommen wie ursprünglich geplant, bzw. daß sie verschoben oder abgeändert werden müssen. […]” – Institutsleiter (IL) Peter Reitz
135. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1997/1998
6. Sonstiges
„[…] Seit Anfang 1994 arbeitet im Gebäude des Instituts das Buchinformationszentrum (BIZ) der Frankfurter Buchmesse. Der Raum war vom Gl zunächst auf drei Jahre und 1997 für ein weiteres Jahr zur Verfügung gestellt worden. Der Bitte um eine weitere Verlängerung wurde entsprochen. Die Zusammenarbeit mit dem BIZ war bisher ausgezeichnet, und die vom BIZ in unseren Räumen veranstalteten Seminare sowie die Beteiligung bei der Vorbereitung der Leipziger und der Bukarester Buchmesse und die Mitarbeit bei der Struwwelpeter-Ausstellung betrachten wir als eine wertvolle Bereicherung unserer Aktivitäten. Da sich das BIZ Tür an Tür mit unserer eigenen Bibliothek befindet, kommt es naturgemäß zu vielen alltäglichen kollegialen Begegnungen. Zeitweilig gab es sogar noch eine dritte Institution in unseren Räumen: In den letzten drei Monaten vor der Leipziger Buchmesse wurde in unserer Bibliothek ein kleines Verbindungsbüro eingerichtet, von dem aus eine Mitarbeiterin der Leipziger Messe die rumänische Beteiligung beim Länderschwerpunkt koordinierte. […]” – Institutsleiter (IL) Peter Reitz
136. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1996/1997
1. Allgemeiner Teil
„[…] Obwohl die entschlossen von der neuen Regierung ins Werk gesetzte Wirtschaftsreform der Bevölkerung erklärtermaßen weitere große Opfern zumutet, kann sich die neue politische Führung der breiten Zustimmung (rund 70%) der Wähler sicher sein, die keine Alternative zu dem eingeschlagenen Wege sehen. Dieses grundlegende Vertrauen in den Wandel, verbunden mit der von der Regierung angestrebten Dezentralisierung der Verwaltung, fördert, gerade auch im Bereich der Kultur, die Engagementbereitschaft von Intellektuellen für den Prozeß der Umstrukturierung.
Mit alldem wächst auf rumänischer Seite das Interesse an der Begegnung mit westeuropäischen Ländern, worauf das Goethe-Institut Bukarest mit entsprechenden Angeboten reagiert. In unserer Programmarbeit, die bisher unter der eher desillusionierten Zurückhaltung unserer Partner zu leiden hatte, ist eine neue Aufbruchsstimmung zu spüren. Korrespondierend damit beginnt sich in den deutschen Medien das bisher weithin negative Rumänienbild sich aufzuhellen und das Interesse an Rumänien zu wachsen. Dies kommt in neuen Anstöße zu gemeinsamen Projekten im Kulturaustausch zwischen beiden Ländern zum Ausdruck. Als aktuelles Beispiele hierfür ist die Leipziger Buchmesse zu nennen, die im März 1998 Rumänien als Schwerpunktthema haben wird. Erwähnt sei auch das Internationale Donaufest das die Städte Ulm und Neu-Ulm für Juli 1998 mit Beteiligung der Städte Turnu Severin, Galati, Tulcea und Bukarest planen. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
137. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1996/1997
4.1. Kulturprogramm
„[…] Im Wortprogramm treffen wir am ehesten da auf Interesse, wo es uns gelingt, auf aktuelle Diskussionen einzugehen. Dies war bei zwei Veranstaltungen unmittelbar gegeben, die dem heiß diskutierten Thema des NATO- und EU-Beitrittes Rumäniens gewidmet waren. Hier lag uns vor allem an der Information über den Standpunkt des Auslands (der Bundesrepublik Deutschland) zu dieser Frage. Spannend waren die Diskussionen mit dem Diplomatischen Korrespondenten der ZEIT, Christoph Bertram, den wir anläßlich der Übersetzung seiner sicherheitspolitischen Studie ‘Europe in the Balance’ ins Rumänische nach Bukarest eingeladen hatten. Aus seinen Begegnungen mit rumänischen Gesprächspartnern (vor allem aus dem Umfeld der ‘Gruppe für den Sozialen Dialog’ und der Zeitschrift ‘Revista 22’) mußte er die für ihn überraschende Erkenntnis mitnehmen, daß die eher gelassene Einschätzung der sicherheitspolitischen Situation im Osten Europas, wie er sie aus westlicher Perspektive vertrat, in Rumänien, das sich auf Erfahrungen mit der Sowjet-Union berufen kann, in keiner Weise geteilt wird. Ebenso engagiert waren die Zuhörer, als Markus Meckel zum Thema der Einbindung Rumäniens in NATO und EU aus deutscher Perspektive Stellung nahm und damit auf die von Land zu Land unterschiedliche Interessenlage dem rumänischen Beitrittbegehren gegenüber abhob.[…]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
138. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1996/1997
4.1. Kulturprogramm
„[…] In unserer Theaterarbeit sahen wir die Chance, Impulse, die uns die Deutschen Kulturwochen 1995 gebracht haben, weiterzuführen. Dies gelang freilich nur in Teilen, bedingt durch noch immer als landesüblich zu bezeichnende Erschwernisse. So ist das ehrgeizige Projekt einer Gastregie an der National-Oper Bukarest mit Richard Wherlock, der mit dem Hagener Ballett-Theater auf seiner Rumänien-Tournee für einen Höhepunkt der Deutschen Kulturwochen 1995 gesorgt hatte, nicht über die Probenarbeit hinausgekommen. Geplant war die Inszenierung eines für die rumänischen Balletttänzer ebenso innovativen wie herausfordernden Programms mit Modernem Tanz – eine Sensation für die noch sehr an traditionellem Ballet orientierte National-Oper. Obwohl beiderseits mit großen Erwartungen angepackt, litt die Probenzeit, zu der Wherlock eigens für drei Wochen nach Bukarest gekommen war, erheblich unter organisatorischer Ineffizienz, die, gepaart mit der Überheblichkeit einer Institution von nationaler Würde, Richard Wherlock das Gefühl vermittelten, nicht angemessen wahrgenommen, sondern allenfalls geduldet zu sein. Aufgrund der ständigen Behinderungen durch chaotischen Raum- und Einsatzplanung blieb, aller Begeisterung der beteiligten TänzerInnen zum Trotz, das Erreichte hinter dem Probenziel zurück. Dies sowie von der Operndirektion einseitig verfügte Änderungen des Premierentermins veranlaßten Herrn Wherlock schließlich, das Projekt aufzugeben. Zu dem administrativen Versagen kontrastierte der enorme Einsatz Wherlocks und die glänzende Atmosphäre während der Probenarbeit sowie das spürbare Verlangen der TänzerInnen, einmal abseits der ausgetretenen Wege des herkömmlichen Ballettbetriebs künstlerisch gefordert zu werden. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
139. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1996/1997
4.1. Kulturprogramm
„[…] Erfreulich laufen die Bemühungen um ein Programm zur Übersetzung deutscher Theaterstücke ins Rumänische weiter. Im Berichtsjahr ist Kurt Drawerts ‘Alles ist einfach’ (Totul e simplu) als erstes Heft einer Reihe Dramaturgi Straini (= ausländische Theaterautoren) erschienen, das bereits in Râmnicu Vâlcea aufgeführt wird und in Târgu Mures für die neue Spielzeit fest eingeplant ist. Im Herbst dieses Jahres sollen Anthologien mit Theaterstücken von Heiner Müller sowie von Botho Strauß in der Reihe erscheinen. Einige Theater haben bereits ihr Interesse an Inszenierungen auf der Grundlage dieser Übersetzungen angemeldet. In Piatra Neamt ist man bereits dazu übergegangen, Schwerpunkte zu bilden. Im vergangenen Jahr stand das englische Theater im Mittelpunkt, im nächsten soll es das deutschsprachige sein. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
140. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1995/1996
1. Allgemeiner Teil
„Das Jahr 1995/96 steht in Rumänien im Zeichen der Wahlen auf kommunaler (Mai 1996) und nationaler (November 1996) Ebene. Nicht nur deshalb ist das politische Klima gekennzeichnet durch Nervosität: die wirtschaftliche Entwicklung stagniert, die Preisentwicklung bei zurückbleibenden Gehältern und Pensionen macht zunehmend Sorge. […] Die anhaltende Subventionierung nicht existenzfähiger Kombinate über den Staatshaushalt und der fortschreitende Wertverfall des Lei – der abrupte Kursrutsch im Oktober 1995 weckte böse Ahnungen – und die massiven und von der Weltbank dennoch als unzureichend erachteten Preisanhebungen bei deutlich dahinter zurückbleibenden Gehaltssteigerungen wirken ebenso beunruhigend wie inzwischen ans Licht gekommene groteske Kreditmanipulationen, die bisher zwei Banken an den Rand des Ruins gebracht haben, und leisten der Tendenz zu nostalgischer Verklärung der Verhältnisse vor 1989 Vorschub.
Ungeachtet all dessen begann die Saison im September 1995 mit einem kulturellen Paukenschlag: Das George-Enescu-Musikfestival brachte dank kräftiger Unterstützung durch den Präsidenten (Wahlkampfauftakt?!) nach vielen Jahren wieder zahlreiche international renommierte Orchester, Dirigenten und Interpreten nach Bukarest (u.a. aus Deutschland das Radio-Symphonie-Orchester des BR unter Lorin Maazel und die Stuttgarter Symphoniker unter Georges Prêtre). Ihm folgte im knappen zeitlichen Abstand das internationale Theaterfestival, mit u.a. Becketts Endspiel (Berliner Ensemble, Regie Peter Palitzsch) und – besonders bejubelt – Shakespeares Sommernachtstraum (Landestheater Düsseldorf, Regie: Karin Beier). […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
141. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1995/1996
1. Allgemeiner Teil
„[…] Das beharrliche Bemühen der rumänischen Regierung, international an Profil zu gewinnen, hat die deutsche Botschaft mit eigenen Initiativen begleitet, die Aufmerksamkeit der deutschen Politik stärker auf Rumänien zu lenken. Nach Rita Süßmuth (August 1995) war im Mai 1996 Roman Herzog auf Staatsbesuch in Bukarest und Hermannstadt, dem knapp ein Jahr später, im Juni 1996, der offizielle Gegenbesuch Iliescus in Deutschland folgte. Und auch die Tatsache, daß im Herbst 1995 deutsche Kulturwochen in Rumänien stattfinden konnten, ist im Zusammenhang mit dem Bestreben zu sehen, die deutsch-rumänischen Beziehungen in allen Bereichen zu pflegen. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
142. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1995/1996
4.1 Kulturprogramm
„[…] Die dramatische Veränderung der rumänischen Spielfilmszene in den Jahren seit der Wende bekommen wir und unsere Partner natürlich auch in unsere Filmarbeit zu spüren. Ging 1989 ein Rumäne noch jährlich 10 mal ins Kino, so waren es 1995 im Schnitt nur noch 0,8 mal. Da der durchschnittliche Preis einer Kinokarte (= ca 70 Pfg.) die bei Importfilmen anfallenden Lizenzgebühren erst bei rund 200000 Kinobesuchern deckt, ist das kommerzielle Angebot völlig von amerikanischen Filmen dominiert, denen gegenüber Filme anderer Länder, mit Ausnahme einzelner Filme renommierter rumänischer Regisseure, keine Chance haben. Dies scheint mit der Zeit auch die Erwartungen des Publikums zu beeinflussen. Jedenfalls blieb dem Europäischen Filmfestival, das die EG-Länder zum Europatag dieses Jahres in mehreren Städten des Landes gemeinsam organisiert und groß angekündigt hatten (deutscher Beitrag: D. Dörries “Keiner liebt mich”) ein nennswerter Erfolg versagt. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
143. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1994/1995
1. Allgemeines
„[…] Die allseits im Bereich der Kultur und der Geisteswissenschaften zu beobachtende Tendenz, gegenüber ausländischen Einflüssen wieder stärker die eigenen rumänischen Werte zu betonen, geht bis hinein in die Lehrpläne an Schulen, die Geschichte und Literatur der Rumänen (nicht etwa Rumäniens) vorsehen und fördert die Neigung, nationale Geschichte und Literatur sowie christlich-orthodoxe Traditionen zu beschwören und damit (aller Romanität zum Trotz) gegenüber Westeuropa eher die kulturelle Eigenständigkeit Rumäniens als das Verbindende zu betonen. Darin zeigt sich das in der Phase des Umbruchs grundlegende Problem rumänischer Kultur und ihrer Intellektuellen: die Suche nach zeitgemäßen Elementen einer kulturellen Legitimität, die in einer Endzeit der Ideologien und in einer tiefen Wirtschaftskrise schwierig zu finden sind. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
144. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1994/1995
4. Kultur- und Programmbereich
„[…] In einer Zeit, in der Europa sichtlich zusammenwächst (Schengener Ankommen, zunehmender Wissenschafts-, Kultur- und Wirtschaftsaustausch zwischen unseren Gastländern und Westeuropa, Mitgliedschaft unserer Gastländer im Europarat; Nato-Partnerschaft für den Frieden; EG- Beitritts-Gesuche) und in der auch die Kultur sich zunehmend internationalisiert, stellt sich die Frage nach der Zeitgemäßheit eines rein bilateralen Kulturaustausches. Dies machte in Bukarest die Initiative der EG-Vertretung in Bukarest deutlich, die zum Europatag 1995 die Botschaften und Kulturinstitute der EG-Mitgliedsstaaten zu einer gemeinsamen Fotoausstellung aufforderte. Das Experiment zeigte, wie schwer es den europäischen Ländern auch bei einer ganz allgemein gehaltenen Thematik (“Das Land und seine Menschen”) noch fällt, sich gemeinsam in ihrer europäischen Vielfalt zu präsentieren, regte aber zugleich zu Überlegungen über einen eigenen dem Thema angemessenen Beitrag an. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
145. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1993/1994
1. Allgemeines
„[…] In den kulturpolitisch relevanten Bereichen von Erziehung und Kultur gestalten sich die Dinge ebenfalls schwierig. Der mit siebenmonatiger Verspätung von der Regierung vorgelegte Haushaltsplan sieht Kürzungen im zukunftsträchtigen Bereich der Erziehung vor (von 2,7% auf 2,4%, womit Rumänien hinter seinen Nachbarn zurückbleibt); gleiches gilt für die Kultur, während ein unverhältnismäßig großer Teil der Mittel in Subventionen von Staatsbetrieben fließt, deren Existenzfähigkeit infrage steht.
Dazu kommt, daß die Regierung meint, den nötigen Tribut für die parlamentarische Unterstützung durch die radikalen Parteien am ehesten im Bereich der Kultur leisten zu können. […]
Entsprechend ist die Ernüchterung, die sich unter Intellektuellen breit macht. Der erst 1990 aus den USA heimgerufene Andrei Serban gab 1993 die Leitung des Nationaltheaters Bukarest wieder auf und verließ das Land; ersetzt wurde er durch den altgedienten Schriftsteller Fanus Neagu; auch Silviu Purcarete, der zuletzt beim ‘Theater der Welt’-Festival in München mit seiner ‘Ubu’-Inszenierung Furore machte, trat als Direktor des Bulandra-Theaters zurück und verließ das Land, um ein Engagement in Limoges anzunehmen. Bei der Ausrichtung von (Jazz-, Musik- und Theater-)Festivals macht sich ein Erlahmen der Kräfte bemerkbar, da anstelle finanzieller wie moralischer Unterstützung durch das Kulturministerium wieder zentralistische Tendenzen durch kleinliche Genehmigungsverfahren treten. Ähnliche Zentralisierungstendenzen im Kulturbereich zeigen sich auch bei den staatseigenen Buchver-lagen: anstelle der bisher verfolgten Politik, diese zu privatisieren, wird jetzt das Ziel anvisiert, sie wieder unter einem – natürlich staatlichen – Dach zu vereinen. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
146. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1993/1994
1. Allgemeines
„[…] Vor diesem Hintergrund verdienen Intiativen Beachtung, in denen sich Rumänien mit hervorragenden kulturellen Leistungen im Ausland präsentiert. Erwähnt sei hier die bereits erwähnte Aufführung des ‘Ubu’ durch das Ensemble des Staatstheaters Craiova unter Silviu Purcarete in München, die Beteiligung des Nationalorchesters des Rumänischen Rundfunks unter Horia Andreescu auf dem Euromusicale-Festival in München, die vom IfA finanzierte Ausstellung der Gruppe Subreal in Stuttgart, Bonn und Berlin, sowie insbesondere die große Ausstellung archäologischer Schätze des Landes in Frankfurt, die gegen starke Widerstände nationalistisch-ängstlicher Kreise in Rumänien (die den Verlust wertvoller Exponate durch Raub und Fälschung befürchteten) durchgesetzt werden mußte und Rumänien endlich einmal eine positive Presse in Deutschland verschaffte.
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch Initiativen künstlerischer Nachwuchstalente – vor allem im Bereich der bildenden Künste (Installationen Gruppe Subreal; Videokunst) und Film – die den traditionellen Rahmen künstlerischer Aktivtäten hier bewußt sprengen und sich mit ihren westlichen Altersgenossen messen und mit ihnen ins Gespräch kommen wollen. Die hier unternommenen innovativen Ansätze werden in Ermangelung staatlicher Förderung im Bereich von Video- und Filmtechnik bereits maßgeblich von der Soros Foundation unterstützt, die der Theater- und Filmakademie sowie der Kunstakademie die nötige Ausstattung zur Verfügung gestellt hat, und verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
147. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1993/1994
4. Kultur- und Informationsarbeit
„[…] Die hier skizzierte Kurzatmigkeit der Planungen brachte auch die Internationale Buchmesse, die in diesem Jahr zum zweiten Mal in Bukarest ausgerichtet werden sollte, ins Wanken. Nachdem das Kulturministerium die Frankfurter Buchmesse (Ausstellungs- und Messe GmbH) mit der Organisation betraut hatte, stellte sich jedoch heraus, daß noch rechtliche Verbindlichkeiten gegenüber einem anderen Bewerber bestanden, die nicht ausgeräumt werden konnten. Als daraufhin das Kulturministerium sich aus dem Projekt zurückzog, und auch Peter Weidhaas den Vertrag mit dem rumänischen Kulturministerium aufkündigte, stand man, gerade drei Monate vor dem vorgesehenen Termin vor einem Scherbenhaufen. Mit Mihai Oroveanu, Kunsthistoriker und Geschäftsführer der privaten Stiftung ‘Artexpo’, trat dann jedoch eine Persönlichkeit auf den Plan, die entschlossen war, wie auch immer, die Buchmesse zu realisieren. Es fügte sich, daß Peter Weidhaas just in diesen Tagen zur Eröffnung des in den Räumen des Goethe-Instituts eingerichteten ‘Zentrums Deutschen Buchs’ in Bukarest weilte, und es gelang uns, eine Begegnung zwischen Oroveanu und ihm zu vermitteln. Peter Weidhaas zeigte sich von der Ernsthaftigkeit und dem Engagement des Rumänen derart beeindruckt, daß er spontan zusagte, außerhalb rechtlicher Vereinbarungen dem Vorhaben organisatorische und materielle Hilfe für die Ausrichtung der Buchmesse zukommen zu lassen. Mihai Oroveanu wurde daraufhin für eine Woche nach Frankfurt eingeladen und kehrte mit Ausstellungsständen nach Bukarest zurück. Die Buchmesse war, wenn auch die internationale Beteiligung nicht mehr in den ursprünglich erwarteten Umfang erreicht werden konnte, ein immenser Erfolg. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
148. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1992/1993
4. Kultur- und Informationsarbeit
„[…] In der Theaterarbeit bietet sich eine widersprüchliche Situation: Kontakte zwischen hervorragenden rumänischen Ensembles und deutschen Partnern herzustellen, ist bisher noch nicht gelungen: namhaften Künstlern scheint Rumänien noch keinen besonderen Einsatz (etwa Gastregie, Theaterworkshop) zu lohnen. Umgekehrt erscheinen die zahlreichen Theatergruppen, die sich an Festivals im Land beteiligen wollen, dabei aber der finanziellen Nöte des rumänischen Veranstalters wegen auf unsere Unterstützung hoffen, für die Theaterszene der Bundesrepublik nicht repräsentativ und damit förderungswürdig genug. – Die Beteiligung an dem Projekt junger Berliner Theaterleute, Kleists Guiskard-Fragment in Verbindung mit zwei szenischen Texten von Heiner Müller gemeinsam mit dem Ensemble des Deutschen Staatstheaters Temeswar zu erarbeiten, einzustudieren und aufzuführen, ist nicht nur an den erreichten künstlerischen Standards zu messen: das beachtliche Ergebnis, das große Echo, das diese über Monate sich erstreckende Aktion zeitigte, sowie die Ermutigung, die sie für die Mannschaft des Deutschen Staatstheaters Temeswar bedeutete, recht- fertigen ohne Frage den Einsatz. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
149. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1992/1993
4. Kultur- und Informationsarbeit
„[…] In der Filmarbeit wird vielleicht am deutlichsten, wie stark sich die Erwartungen mit den politischen Ereignissen verändert haben. Haftete bis 1989 Filmvorführungen im Goethe-Institut noch der Charakter des Besonderen und Einmaligen an, so war es 1990/91 der ungeheure Hunger nach bisher vorenthaltener Information und Filmkunst, der geradezu zum Sturm auf unsere Veranstaltungen führte. Inzwischen hat man sich daran gewöhnt, daß in den kommerziellen Kinos die neuesten Filme – zumeist amerikanischer Provenienz – zu sehen sind, und auch die sprunghafte Verbreitung der Heimelektronik trägt dazu bei, daß der Videofilm zu Hause den Kinobesuch ersetzt. So stellt auch die Cinemateca Romana, die größte Cineastenvereinigung, bei ihren nichtkommerziellen Filmvorführungen einen erheblichen Besucherrückgang fest. Angesichts dieser Entwicklung haben wir uns im Institut vorgenommen, Filmreihen zu sozialen Themen (Jugend, Frauen, Fechner-Dokumentarfilme) zu zeigen und sie danach auch der Cinemateca Romana anzubieten, die sie als wertvolle Bereicherung ihres Programms übernahm. […]” – Institutsleiter (IL) Manfried Wüst
150. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1991/1992
4. Kultur- und Informationsarbeit
„Angesichts der oben geschilderten posttotalitären Umstände und der neu gewonnenen Freiräume für die Programmarbeit, verlangten Themenwahl und ihre Umsetzung Stellungnahme zu den rumänischen Vorgängen. Unverbindliche Selbstdarstellung um der Polarisierung auch der Kulturszene zu entgehen hätte nur Enttäuschung gerade bei denen ausgelöst, die nach der eigentlichen Öffnung des Instituts im Januar 1990 als neues Publikum gewonnen wurden. Im Ansatz hieß dies: Indem wir die Verwerfungen und Schwierigkeiten des deutschen Einigungsprozesses darstellten, verwiesen wir auf die dramatischen rumänischen Transformationen, ohne uns dem Verdacht der Einmischung auszusetzen. […]” – Institutsleiter (IL) Vladimir Kadavy
151. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1991/1992
4. Kultur- und Informationsarbeit
„[…] Hans-Joachim Gauck, offiziell einer Einladung der Bürgerrechtsbewegung Alianța Civica gefolgt, referierte im Haus des Schriftstellerverbands über den ‘Umgang mit den Dossiers der Vergangenheit’, stellte Entstehungsgeschichte und Aufgabenfeld der Berliner Behörde dar. Rumäniens Presse berichtete noch tagelang bis in Details darüber. Da auch innerhalb der Opposition keine Einigkeit darüber herrscht, wie zukünftig mit den Secu-Dossiers zu verfahren sei, bleibt zu hoffen, daß Herrn Gaucks Besuch zumindest Anregungen für die öffentliche Debatte bieten wird. […]” – Institutsleiter (IL) Vladimir Kadavy
152. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/1353 – Jahresberichte Bukarest 1992 – 1998
Jahresbericht 1991/1992
4. Kultur- und Informationsarbeit
„[…] Zu verzeichnen wäre die inoffizielle Vorpremiere eines Films von Andrei Ujica und Harun Farocki, ‘Videogramme einer Revolution’. Es ist der Versuch, die Rolle der Kameramänner während der dramatischen Dezembertage 1989 in Bukarest zu klären.[…]” – Institutsleiter (IL) Vladimir Kadavy
153. Quelle: Nationalarchiv Rumäniens – “Gabanyi Anneli Ute” Sammlung – inv.389, Seiten 117 und 118
Romanian Situation Report/22, page 5 and 6, 30 November 1979
„INTERNATIONAL RELATIONS – 2. West German Cultural Institute Opened in Bucharest
On 26 November 1979 a West German cultural institute was opened in Bucharest, the first such institute Bonn has been allowed to establish in a Warsaw Pact country. (12) Like the two West German cultural institutes inaugurated in 1971 in Yugoslavia (Belgrade and Zagreb), the institute now opened in Bucharest does not bear the traditional name Western Germany attaches to its cultural institutes abroad, the Goethe Institute; however, Goethe Institute Director Klaus von Bismarck stated, in the course of an interview with the Bavarian Radio and Television Network (Bayerischer Rundfunk), (13) that both the structure and the aims of the institute in Bucharest are identical with those of the Goethe Institute chain.
The Romanian cultural institute, scheduled to be established on reciprocal basis in Munich, is to be opened soon.
The West German institute is located in a handsome mansion built around 1900, at 22 I. C. Frimu Street. The edifice has undergone a two-year period of renovation. It now contains a library with about 3,000 volumes (mostly reference books and modern German literature), a multipurpose hall which can be used for concerts or theatrical performances and exhibitions, and a modern classroom with electronic equipment for language training. Dr. Uwe Martin, head of the new institute, has served as chief of the Goethe Institute in Amsterdam for the last five and a half years. Speaking at the opening ceremony in Bucharest, West German Minister of State in the Foreign Office Dr. Hildegard Hamm-Brücher said that this ceremony represents ‘an important new phase in the cultural relations between the two countries.’ She added that ‘my government is confident that Romania’s exemplary co-operation in the cultural field will also encourage other East European states to take the same step.’ (14) Romanian Minister Secretary of State at the Ministry of Foreign Affairs Aurel Duma reiterated this emphasis on the importance of cultural relations during the post-Helsinki confidence-building process in Europe, emphasizing the fact that ‘Romania considers that cultural exchanges and ties can only serve to help improve the human condition, to educate the younger generation in a spirit of respect for the values of each nation, of esteem for other peoples, of peace, détente, and international co-operation.’ (15)
Six Year Delay. The decision to open a German institute in Bucharest (and a projected Romanian cultural institute in Munich) was reached during the official visit Nicolae Ceausescu paid to the Federal Republic of Germany in 1973. The West German-Romanian agreement on cultural and scientific co-operation of 29 June 1973 contains a clause stipulating that such cultural institutes be established, but difficulties arose concerning the Bucharest center, for which the West Germans blamed the Romanians. (16)
The delay was possibly also due to difficulties in finding appropriate premises in Bucharest and Munich. The West German-Romanian communiqué published at the end of Chancellor Helmut Schmidt’s January 1978 visit to Romania announced the opening of the cultural institutes to take place in the course of 1978. On 16 June 1978 the FRG Foreign Office in Bonn and Radio Bucharest simultaneously announced that an agreement had been signed on the turning over of property to be used for libraries in each other’s country. Eventually, the communiqué signed at the end of FRG Foreign Minister Hans-Dietrich to Genscher’s visit to Bucharest hailed the fact that the two cultural institutes were to open this year.
(12) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26 November 1979. / (13) 26 November 1979. / (14) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26 November 1979. / (15) Radio Bucharest, 26 November 1979. / (16) Dr. Kurt Müller, head of the foreign cultural policy section and the West German Foreign Office, in Süddeutsche Mitteilungen No. 1, 1978.”
154. Quelle: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde / DY 30 / 18770
DDR Botschaft Bukarest – Kultur – Bukarest, den 6.1.1981
„Zur Tätigkeit der Kulturinstitute kapitalistischer Staaten in Bukarest
Im Kulturleben der Hauptstadt spielt die Tätigkeit der Kulturinstitute bzw. Bibliotheken der USA, Frankreichs, Italiens sowie der BRD eine nicht geringe Rolle. 1981 wird eine ähnliche Einrichtung des British Council in Bukarest eröffnet. Ein Repräsentanzbüro des British Council besteht seit längerer Zeit bei der Botschaft. Ein Großteil der Besucher sind Vertreter der Intelligenz aus kulturell-künstlerischen, medizinischen und wissenschaftlich-technischen Bereichen sowie der studentischen Jugend. Durch die aktive propagandistische Tätigkeit dieser Zentren werden maßgebliche Vertreter o.g. Disziplinen, insbesondere auch der Presse und der Medien, laufend mit Informationen, Publikationen und Materialien versorgt. Die Zentren stellen permanent wirkende Quellen für die Einfuhr der spätbürgerlich- imperialistischen Ideologie nach Rumänien dar. Diese Quellen werden von einer nicht geringen Zahl von Bürgern regelmäßig genutzt. Auch staatliche Institutionen wie das Fernsehen gehören zu den “Kunden” der Kulturzentren. So stellen – soweit uns bekannt – z. B. die amerikanische und französische Bibliothek Spielfilme älterer Produktion zur kostenlosen Sendung durch das Fernsehen bereit.
Die Tätigkeit dieser Einrichtungen trägt in erheblichem Maße dazu bei, unter dem Deckmantel einer einheitlichen Kultur, die grundsätzlichen, ideologischen Gegensätze zwischen den beiden Kulturen im Sozialismus und Kapitalismus in der rumänischen Öffentlichkeit zu verwischen. Vor allem die BRD nutzt die Existenz ihres Kulturinstituts zur Demonstration des angeblichen Bestehens einer einheitlichen deutschen Kultur. […]”
155. Quelle: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde / DY 30 / 18770
DDR Botschaft Bukarest – Kultur – Bukarest, den 6.1.1981
Zur Tätigkeit der Kulturinstitute kapitalistischer Staaten in Bukarest
„[…] Die imperialistische Kulturpolitik nutzt geschickt abweichende Positionen des Kultur- und Kunstschaffens in der SRR vom sozialistischen Realismus, um Prozesse der Divergenz vom Kulturschaffen in anderen sozialistischen Ländern zu fördern.
Die äußerst aktive und vielgestaltige Arbeit der imperialistischen Kultureinrichtungen läßt deutlich werden, daß die SRR im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit mit diesen Staaten in permanenter Weise zu ideologischen Zugeständnissen im Interesse ihrer ökonomischen Ziele genötigt wird. Sie ist zu diesen Zugeständnissen auch bereit, obwohl seit Jahren die Situation gegeben ist, daß ein ideologisches Gegengewicht in Form von Kulturzentren sozialistischer Staaten fehlt. Trotz der bereits seit Ende der 60iger Jahre bestehenden Vereinbarungen über die Einrichtung solcher KIZ mit der UVR, der CSSR, der VRB und der VRP konnte keine solche Kulturinstitution eines sozialistischen Staates eröffnet werden. […]”
156. Quelle: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde / DY 30 / 18770
DDR Botschaft Bukarest – Kultur – Bukarest, den 6.1.1981
Zur Tätigkeit der Kulturinstitute kapitalistischer Staaten in Bukarest
„[…] Die SRR unterhält ihrerseits Kulturzentren in New York (1971 eröffnet) und Rom (traditionelle Einrichtung noch aus der Vorkriegszeit). Aus ökonomischen Gründen hat sie bisher ihre Kultureinrichtungen in Paris und München nicht eröffnet. Dies ist insofern als weiteres Zeichen eines Zugeständnisses an die westlichen Staaten zu werten, als daß sie auf die Anwendung des Reziprozitätsprinzips verzichtet. Insgesamt liegen die Aktivitäten – soweit von hier verfolgbar – der beiden rumänischen Einrichtungen in Rom und New York weit unter dem Niveau der hiesigen imperialistischen Kulturzentren. […]”
157. Quelle: Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde / DY 30 / 18770
DDR Botschaft Bukarest – Kultur – Bukarest, den 6.1.1981
Zur Tätigkeit der Kulturinstitute kapitalistischer Staaten in Bukarest
„[…] Das Kulturinstitut der BRD ist seit etwas über einem Jahr in Bukarest tätig. Bereits in diesem Jahr hat es eine Vielzahl von Aktivitäten entwickelt und Kontakte aufgebaut. Sehr gut besucht sind die wöchentlich 2 Mal zu je 2 Vorführungen stattfindenden Filmabende. Die Abende werden in der letzten Zeit von einem rumänischen Filmwissenschaftler (Prof. Dr. Florian Potra von der Film- und Theaterhochschule Bukarest) durch Kurzvorträge eingeführt (derselbe macht dies auch regelmäßig in der italenischen Bibliothek).
Der ideologische Schwerpunkt der Auslandspropaganda dieses Instituts liegt darin, das Bild von der BRD als einer pluralistischen, demokratischen, freizügigen und dynamischen Gesellschaft mit einer weltoffenen Kultur zu zeichnen. Die Besucherzahlen im BRD-Institut sind im steten Wachsen begriffen.
Neben den von Anfang an das Institut aufsuchenden Vertretern der deutschen Minderheit in Bukarest sind inzwischen viele junge rumänische Bürger, vor allem Studenten und Vertreter der ingenieurtechnischen Intelligenz, hinzugekommen.
Bislang ist uns kein Fall bekannt geworden, wo die SRR eine Maßnahme des BRD-Instituts mißbilligt oder nicht genehmigt hätte. […]”
158. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 – Bukarest 1966 – 1986
Botschaft der BRD – Bukarest, den 30. März 1979 / Ku 600.50 – 342/79
Kulturpolitischer Jahresbericht 1978
„a) Kulturpolitische Entwicklung im Gastland: Die nationale Selbstglorifizierung stand auch im vergangenen Jahr im Vordergrund der kulturellen Bestrebungen Rumäniens. Den Rahmen dafür bietet der noch anhaltende, Wettbewerb ‘Cîntarea României’ (Preis Dir, Rumänien) sowie die Feiern zum 60. Jahrestag der Bildung Großrumäniens (1. Dezember 1978). Das Schaffen aller Künstler wird in den Dienst dieser Sache gestellt, wie die Landeskonferenz im Juni vergangenen Jahres ergab. Einflüsse von außen versucht die rumänische Seite durch strenge Zensur ausländischer Exponate und Schriften einerseits, durch äußerst restriktive Praxis von Paßgewährung an rumänische Künstler andererseits, möglichst weitgehend auszuschalten. Gefördert werden nur Künstler, die bereit sind, ihr Schaffen ganz in den Dienst des Landes und seiner Kommunistischen Partei und ihrer Doktrin zu stellen. Für individuelle Kunst, für persönliches Engagement bleibt daher im offiziellen Kulturschaffen kein Raum. Umso höher sind die wenigen. Versuche rumäni- scher Künstler zu bewerten, unter Inkaufnahme persönlicher und materieller Nachteile ihre Konzeptionen in die Wirklichkeit umzusetzen.
Die Konfiszierung privater Kunstsammlungen wurde 1978 verstärkt fortgeführt. Daß dies nicht ohne Widerspruch bleibt, läßt sich aus mehreren Presseartikeln entnehmen, die diesen Schritt rechtfertigen sollten. […]”
159. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 – Bukarest 1966 – 1986
Botschaft der BRD – Bukarest, den 30. März 1979 / Ku 600.50 – 342/79
Kulturpolitischer Jahresbericht 1978
„b) Aufnahme unseres kulturellen Angebots: Das kulturelle Angebot der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Kulturaustausches mit Rumänien stieß auf großes Interesse des hiesigen Publikums. Höhepunkte waren 1978 die Woche des deutschen Films, die in 3 Städten (Bukarest, Bacau und Piatra Neamt) 16.000 Zuschauern Gelegenheit zum Kennenlernen deutscher Spielfilme bot, sowie Gastspiele des ‘Ulmer Theaters in der Westentasche’ in 5 rumänischen Städten. Dieses Ensemble wird auch in diesem Jahr wieder in Rumänien gastieren. […]”
160. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 – Bukarest 1966 – 1986
Botschaft der BRD – Bukarest, den 22. Februar 1972 / Ku IV 9 – 347/72 / Betr.: Amerikanisch-rumänische Kulturbeziehungen / hier: Einweihung des Gebäudes der amerikanischen Bibliothek in Bukarest
„Ende Januar wurde in Bukarest das Gebäude der amerikanischen Bibliothek in Anwesenheit des Direktors des US-Information Service, Frank Shakespeare, und des für kulturelle Fragen zuständigen rumänischen Vizeaussenministers, Vasile Gliga, eingeweiht.
Nach langwierigen Bemühungen, fast zweieinhalb Jahre nach dem Besuch Präsident Nixons der mit Staatspräsident Ceausescu die Errichtung von Bibliotheken (Kulturinstituten) vereinbart hatte, ist es damit den Amerikanern gelungen, dieses Vorhaben zu verwirklichen.
Die Rumänen haben den Amerikanern den an zentraler Stelle, in der Nähe des Intercontinental Hotels, gelegenen Altbau erst zur Verfügung gestellt, nachdem sich diese bereit erklärt hatten, ihnen auf der Fifth Avenue in New York eine Etage für ein rumänisches Kulturzentrum anzubieten. […]
Der USIS hat das alte Gebäude in Bukarest mit den Mitteln der neuesten Pop-Innenarchitektur modernisiert und damit, jedenfalls für die Bukarester, einen ungewohnten Zielpunkt des Interesses geschaffen. Die eigentliche Bibliothek des Instituts umfasst bereits 5 000 Bände neuester amerikanischer Publikationen, darunter sicher auch viele, die dem hiesigen Zensor Unbehagen bereiten werden. Beanstandungen hat es bisher nicht gegeben. […]”
161. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 – Bukarest 1966 – 1986
Botschaft der BRD – Bukarest, den 22. Februar 1972 / Ku IV 9 – 347/72 / Betr.: Amerikanisch-rumänische Kulturbeziehungen / hier: Einweihung des Gebäudes der amerikanischen Bibliothek in Bukarest
„[…] In dem oberen Stockwerk der Bibliothek befinden sich Räume für den englischen Sprachunterricht, in denen rumänische Englischlehrer. nach dem Motto ‘teach the teachers’ mit den neuesten Unterrichtsmethoden vertraut gemacht werden sollen. Diese Abteilung ist mit den modernsten technischen Hilfsmitteln ausgestattet. Das rumänische Unterrichtsministerium hat bereits Kandidaten für die Kurse benannt. Außerdem hat der Direktor der Bibliothek auch Lehrkräfte berücksichtigt, die sich bei ihm aus eigener Initiative gemeldet haben.
Die Eröffnungsveranstaltung der Bibliothek erfreute sich eines ausserordentlichen Zulaufs. Es erschienen zahlreiche prominente Persönlichkeiten des Bukarester Kulturlebens. Auch der tägliche Besucherverkehr der Bibliothek ist so intensiv, dass der Direktor mehr als zufrieden sein kann. Er ist bemüht, die Vorhänge in den Bibliothekssälen möglichst geschlossen zu halten, damit die Besucher nicht von den Nachbarhausern aus beobachtet werden können!
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich bei den Amerikanern die Erfahrung der Italiener und Franzosen mit der Errichtung von Bibliothekn wiederholt. Die Besuchsfrequénz ist viel höher, als dies angesichts der durch den verschäften innenpolitischen Kurs ausgelösten Befürchtungen erwartet wurde. […]”
162. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 – Bukarest 1966 – 1986
Bukarest, 01.03.1983 / Kulturaustausch mit Rumänien / hier: Reger-Trio Berlin (West)
„Gastspiel des Reger-Trios: nachdem geplantes Konzert in Brasov kurzfristig abgesagt worden war, tat hiesige, mit der Betreuung der Künstler beauftragte Konzertagentur Aria alles, um Konzerte in Cluj und Bukarest zu verhindern bzw. zu einem Misserfolg werden zu lassen.
1. Für Konzert in Cluj war Abflug am 26.02.1983, 09.00 Uhr geplant. Vertreter von Aria war kurzfristig zur ‘Betreuung’ der Künstler erschienen, verschwand bereits nach 20 Minuten mit den Flugtickets. Zwischenzeitlich erfolgte Information, dass Flug wegen Nebels in Cluj wahrscheinlich nicht stattfände. Diese Informationen erfolgten sukzessiv und waren so gehalten, dass immer noch Hoffnung auf Flug bestand. Um 13.30 Uhr erfolgte endgültige Ab- sage. Daraufhin verhandelte KI-Direktor mit Flughafenleiter und erhielt Zusage, dass für ausgebuchten 17.00 Uhr Flug 3 Plätze für Künstler freigehalten würden. Diese Zusage wurde nicht eingehalten. Für ein Verbringen der Künstler nach Cluj mit PKW war es zu diesem Zeitpunkt zu spät. Eine Verschiebung des Konzertes auf 27.02.1983 wurde von Aria mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt.
2. Für Konzert am 28.02. in Kukarest hatten Kulturreferent und Direktor KI mit Aria Uhrzeit 19.00 Uhr ausgehandelt. 3 Tage vor dem Konzert erfolgte von Aria Mitteilung, das Uhrzeit auf 17.00 Uhr festgesetzt worden sei (diese Information erhielten wir am Freitag, Konzert sollte am Montag stattfinden). In ausgehängten Plakaten war Uhrzeit nicht ausgedruckt worden. Aufgrund der Initiative der Botschaft erfolgte ausführlicher Hinweis auf Konzert sowie Uhrzeit am Sonntag, 27.02. im rumänischen TV.
3. Konzert fand am 28.02. vor –80– Zuschauern im Bukarester Atheneum statt. Konzert war von hohem musikalischem Niveau und breitangelegtem Repertoire (Reger, Schoenberg, Schubert, Beethoven, v. Dohnanyi, Haydn)
4. Ich habe beim Direktor des rumänischen Kulturrats gegen schwerwiegende Behinderung des Kulturaustausches protestiert. In diesem Sinn sind Kulturreferent und Direktor KI bei Aria gegen vorstellig geworden.
5. Vorfall ist – neben Berlin-Implikation – nach Auffassung der Botschaft weiterer Beleg dafür, daß rumänische Seite in letzten Wochen den ohnehin bescheidenen Kulturaustausch bei jeder sich bietenden Helegenheit zu behindern versucht.
6. beabsichtige Protest und Gespräch mit Präsidentin des Kulturats, Frau Gadea.” – Jovy
163. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 – Bukarest 1966 – 1986
aus: Bukarest / Nr. 654 vom 21.10.1980 / Betr.: Gastspiel der Schaubühne Berlin (West) in Bukarest
„1. Befürchtete negative Entscheidung rumänischer Seite zu o.a. Gastspiel wurde heute zum Kulturrat einbestellten Mitarbeiter durch Direktor Ileasa offiziell mitgeteilt. Ileasa, der offensichtlich keinen Verhandlungsspielraum hatte, begründete Ablehnung mit grundsätzlichen Überlegungen, nach denen Sprechtheater für den Kulturaustausch ungeeignet seien(Sprachproblem). Im Rahmen einer allgemeinen Straffung des rumänischen Kulturaustausches, mit dem Ziel sparsamsten Mitteleinsatzes und höchst möglicher Wirkung, habe man auch andere Partner gebeten, geplante Theatergastspiele zu streichen. Um diesen – nicht genannten – Partnern gegenüber nicht unglaubwürdig zu erscheinen, müsse man auch uns gegenüber auf Absage beharren.
Herr Ileasa wies aber nachdrücklich darauf hin, dass Absetzung des Gastspiels sich nicht (nicht) gegen Einbeziehung Berlins in Kulturaustausch richte, indem er vorschlug, möglichst noch im laufenden Jahr ein Musikensemble aus Berlin ersatzweise zu benennen und zu entsenden. […]” – Jovy
164. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 – Bukarest 1966 – 1986
Ber. Nr. 1729/85 – Bukarest, den 21. Okt. 1985 / Betr: Kulturwoche der Bundesrepublik Deutschland in Rumänien vom 14.-20.10.1985 / hier: Abschlussbericht
„[…] Äußerst problematisch und mit politischem Zündstoff versehen gestaltete sich die Ausstellung ‘Aktuelle Kunst’ von Prof. Schneede, insbesondere die speziell für den Lichthof des Sammlungsmuseums in Bukarest konzipierte Arbeit von Nikolaus Lang ‘Das andere Leben eines Hirsches’. Lang hat seine Arbeit – ein auf einen Torfhügel installiertes Hirschskelett – mit Fotos ergänzt, die ihn bei einer Aktion zeigen, bei der er das Hirschskelett von Berlin (West) nach Ostberlin, u.a. auch an der Mauer entlang trägt. Die Botschaft hatte im Vorfeld dieser Ausstellung in langwierigen und zähen Verhandlungen mit dem Kulturrat sich auf einen für beide Seiten akzeptablen Kompromis hinsichtlich des Katalogtextes geeinigt. Da bei den Verhandlungen mit dem Kulturrat das Werk sich noch in Arbeit befand, wurden von Kommissar der Ausstellung nicht alle Fotos für den Katalog vorgelegt. Als der Katalog dann am 11.10.1985, also kurz vor Eröffnung der Kulturwoche, in Bukarest eintraf, war in dem Katalog ein Foto abgebildet, in dem die Mauer mit der Graffitti ‘DDR – Deutscher Dreck’ erschien.
Der Kulturrat, dessen Abteilung für Auslandsbeziehungen zwischenzeitlich einen neuen Direktor, Dumitru Lazar, erhalten hatte, beanstandete nunmehr neben diesem Fote auch den zuvor ausgehandelten Text. Die Botschaft gewann bei den mehr erneut erforderlichen Verhandlungen den Eindruck, daß der bisherige Direktor des Kulturrates, Ileasa, wegen dieser Ausstellung von seiner Funktion entbunden wurde. Um den Katalog und auch die Ausstellung zu retten, einigte man sich dahin, die entsprechende Seite, auf der die Mauer abgebildet war, aus dem Katalog zu entfernen und die beanstandete Textseite mit der nachfolgenden Seite zu verkleben.
Trotz dieser Schwierigkeiten kann die Ausstellung, deren Konzeption beim Bukarester Publikum auf ein ungeteilten Echo stieß, als Erfolg gewertet werden. […]”
165. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 – Bukarest 1966 – 1986
Anlage 2 zum Brief an den Präsidenten des Goethe-Instituts vom 5.11.1985
„[…] 2.Es besteht auffallend viel Nachfrage nach Literatur von DDR-Schriftstellern sowohl von Schriftstellern, die in der DDR erschienen sind, aber auch von solchen, die in den Westen übersiedelt sind.
Zunehmend besuchen hier durchreisende DDR Bürger unsere Bibliothek und fragen nach Werken, die in der DDR nicht erhältlich sind. Auch Mitglieder der DDR Botschaft, besonders der für Kultur zuständige Referent kommen in unsere Bibliothek und fragen nach Werken von DDR Schriftstellern.
3. Unsere Bibliothek hat derzeit 4000 eingeschriebene Mitglieder. Täglich besuchen zwischen 150 und 200 Menschen die Bibliothek, Ausleihen pro Tag ca 100-120, Bücherbestand 10.000 Bd., Zeitschriften 80 Titel, Tageszeitungen 3.” – Institutionsleiter (IL) Hauser Hubert
166. Quelle: Bundesarchiv Koblenz / B307/564 – Bukarest 1966 – 1986
Anlage 3 zum Brief an den Präsidenten des Goethe-Instituts vom 5.11.1985
„Entwicklung der Besucherzahl bei kulturellen Veranstaltungen: Die anfängliche Zurückhaltung der Rumänen unser Haus zu besuchen, wurde aufgegeben. Alle unsere im Haus durchgeführten Veranstaltungen insbesondere auf den Gebieten Film und Musik sind voll besucht. Oft ist unser Film- saal (180 Plätze) zu klein und die Filme müssen mehrmals wiederholt werden.
Zu den Vorträgen, ob in deutscher oder rumänischer Sprache erscheinen regelmäßig 30-40 Personen und zwar Fachleute.
Außerhalb des Instituts können wir nur wenig veranstalten. Die Deutsche Kulturwoche war da wohl eine Ausnahme. Alle Veranstaltungen waren voll besetzt.” – Institutionsleiter (IL) Hauser Hubert
